Die Grenzen zwischen Körper und Technik geraten in Fluss – zumindest in den utopischen Entwürfen des Kinos, in denen das immer enger werdende Verhältnis der User zu ihren digitalen Endgeräten weitergedacht wird. Gerade erst erzählte Spike Jonze in „Her“ eine Liebesgeschichte zwischen Mensch und Betriebssystem. Auch in Wally Pfisters Regiedebüt „Transcendence“ steht eine solche Liebesbeziehung im Zentrum. Allerdings ist das Wesen, zu dem die Wissenschaftlerin Evelyn (Rebecca Hall) in emotionale Abhängigkeit gerät, keine anonyme Stimme aus dem Cyberspace, sondern die digitale Reinkarnation ihres verstorbenen Ehemannes.
Will Caster (Johnny Depp) war zu Lebzeiten eine Koryphäe auf dem Gebiet künstlicher Intelligenz. Er träumte davon, das Wissen der Menschheit auf einem gigantischen Server zu vernetzen, und brütete über empfindungsfähigen Computersystemen, die einen direkten Kontakt zum menschlichen Gehirn herstellen können. Als er zum Opfer eines Attentats von radikalen Technologiekritikern wird, gelingt es Evelyn gerade noch, den Hirninhalt des genialen Gatten hochzuladen – weshalb nach 30 Kinominuten Johnny Depp nur noch im Flachbildschirmformat zu sehen ist. Bald fordert der digitalisierte Caster mehr Energie, mehr Speicherkapazität, eine stabile Internetverbindung und Zugang zu den Datenbanken der Wall Street.
Binnen weniger Jahre haben Evelyn und ihr virtueller Lebenspartner in einem heruntergekommenen Wüstenstädtchen ein unterirdisches Hi-Tech-Imperium aufgebaut, von dem aus Caster mit modernster Nanotechnologie an der Umgestaltung von Mensch und Umwelt arbeitet.
Klassische Angstfantasie
Regisseur Pfister hat sich bisher als Kameramann von Christopher Nolan verdient gemacht, und in seiner ersten eigenen Regiearbeit bemerkt man deutlich die Spuren dieser langjährigen Zusammenarbeit. Aber die Verschränkung von großem Unterhaltungskino und intelligentem Subtext, die bei Nolan so unaufdringlich gelingt, will in Pfisters „Transcendence“ nicht funktionieren. Natürlich bedient der Zukunftsentwurf einer Übernahme des menschlichen Geistes durch einen allmächtigen Superserver eine klassische Angstfantasie der technologieverliebten Gesellschaft. Aber Pfister verfranzt sich über 119 Kinominuten in immer neue Steigerungsformen der vielversprechenden Grundidee. Dabei verliert die Geschichte zunehmend an Glaubwürdigkeit und wird selbst zum Technologieopfer.
Denn Pfister ist mehr in die Möglichkeiten digitaler Bildproduktion verliebt als in die Charaktere, die sein Szenario bevölkern. Eine Ikone wie Johnny Depp über Dreiviertel der Spielzeit nur als Skype-Version seiner selbst zu zeigen, ist ein gewagtes Unterfangen, und die große Liebe zwischen Evelyn und ihrem virtuellen Ehemann eine eher matte Behauptung. Die blassen Nebenfiguren dienen nur als Stichwortgeber für eine Filmhandlung, die vorhersehbar auf eine große Schlacht zwischen digitaler Allmacht und menschlichem Überlebenswillen hinausläuft.
Deren Ergebnis wird dann auch noch in einem Prolog vorweggenommen, in dem sich der Erzähler durch eine enttechnisierte Welt bewegt, wo alte Laptops als Türstopper benutzt werden, teure Smartphones achtlos am Wegesrand verstauben und die Menschen ohne Strom zurechtkommen müssen. Eigentlich ein sehr viel interessanteres Szenario, in dem man sicherlich eine spannendere und konzentrierte Geschichte erzählen könnte, als es dieses enttäuschende Regiedebüt vermag: • • ο ο ο ο
Cinemaxx Würzburg, Cineworld im Mainfrankenpark, Filmwelt Schweinfurt