Mit einem starken Stück eröffnet das Torturmtheater in Sommerhausen die Saison. Die junge kanadische Autorin Nicole Moeller hat es unter dem Titel „Fast perfekt“ geschrieben, dafür mehrere Preise bekommen. Regisseur Oliver Zimmer hat es mit einem überzeugenden Schauspielertrio für die kleine Bühne eingerichtet.
Es geht um Chloe. Als Zwölfjährige verschwindet sie spurlos, ist jahrelang nicht auffindbar. Erst als volljährige hübsche junge Frau taucht sie wieder auf. Polizei und Presse stürzen sich auf sie, wollen die erdrückende Frage „Wo war Chloe“ möglichst medienwirksam, aufgemotzt durch Sex und Crime, beantwortet haben. Chloe sucht und findet Greg, jenen Journalisten, der ihre Story begleitet und ihrer Meinung nach mit Herzblut veröffentlicht hat. Ihm will sie – zu ihren Bedingungen – ihre Geschichte erzählen.
Der mittelmäßige Journalist wittert die Chance, sich einen Namen machen zu können. Im Verlauf der Geschichte steigert sich sein Vorhaben, die Wahrheit zu erfahren, in einen Wahn, eine krankhafte Obsession, die jedes Mittel zulässt. Die dritte Person des Stücks ist Mathew, der Entführer. In seinem spießigen Outfit (Kostüme: Angelika Relin) kommt er wie der gute Onkel von nebenan daher. Er ist besessen von der Idee, dem Vater des Mädchens eine Lektion erteilen zu müssen, da der das Kind vermeintlich vernachlässigt.
Das Spiel der drei Schauspieler – Katharina Friedl in der Rolle der Chloe, Sven Schöcker als Greg und Alexander Diepold als Mathew – greift nahtlos ineinander. Mit großem Gespür und bestechender Direktheit übernehmen sie die Identitäten der vorgegebenen Personen dermaßen intensiv, dass sie das Premierenpublikum knappe zwei Stunden in Spannung versetzen können.
Dank einer wohldurchdachten Regie schieben sich Szenen übereinander, wird die Gegenwart immer wieder durch Rückblenden überlagert und steht dadurch im Widerspruch zur individuellen Wahrnehmung der handelnden Personen.
Katharina Friedl ist das „Mirakel-Mädchen“ – so nennt sie Greg – das Angst, Verdrängung, Kampf in einer Konzentration zu verkörpern weiß, die unter die Haut geht. Der Zuschauer spürt förmlich die Schicksalsgemeinschaft, die sie immer mehr an ihren Entführer bindet. Seine Manipulationen verinnerlicht sie so sehr, dass sie diese Greg gegenüber perfekt auszuspielen weiß. Sven Schöcker überzeugt als schlaksiger Journalist, der Blut geleckt hat, mit einer intensiven Körpersprache aus Hilflosigkeit und beängstigender Mimik. Alexander Diepold ist ein Mathew voll vordergründiger Sanftmut, der fein strukturiert das Bild eines vereinsamten und fehlgeleiteten Menschen zeichnet, der Missbrauch und Macht so darstellt, dass Dominanz und Hörigkeit greifbar werden. Die drei tanzen einen Verderben bringenden Reigen . . .
Auf dem Spielplan bis 24. Mai. Vorverkauf: Tel. (0 93 33) 2 68.