zurück
SCHWEINFURT
Tommy Jaud befreit von der Last des Müssens
Tommy Jaud: „Das Manifest gegen das schlechte Gewissen.“
Foto: Michael Bauer | Tommy Jaud: „Das Manifest gegen das schlechte Gewissen.“
Nikolas Pelke
 |  aktualisiert: 03.12.2019 08:48 Uhr

Die Bücher des Schweinfurter Bestsellerautors Tommy Jaud schaffen es seit Jahren, vor allem das männliche Geschlecht mit alkoholgeschwängerten Geschichten über testosterongesteuerte Paarungstriebe zu begeistern. In „Vollidiot“ oder „Resturlaub“ spielen zu viel Bier und zu wenig Sex die Hauptrolle.

Jetzt hat der mittlerweile in Bamberg und Köln lebende Jaud einen Ratgeber geschrieben, genau genommen einen Anti-Ratgeber. In „Einen Scheiß muss ich“ will er seine Leser von der Last des Müssens befreien. „Also ich kenne ganz schöne viele Männer, die ihr Lebensheil in maßloser Mäßigung suchen. Vielleicht ist's ja eine paradoxe Reaktion auf unsere Konsumgesellschaft? Wenn ,Mehr Dinge haben' nicht mehr als Leistung gesehen wird, definiert man sich eben über das Gegenteil. Das macht überraschend oft Sinn, kann aber auch schnell zu einer gewissen Freudlosigkeit führen. Oder direkt in den Burnout“, sagt Tommy Jaud.

Warum überhaupt so viele Ratgeber den Büchermarkt überfluten? Darauf hat der Autor eine einfache Antwort: „Da haben vermutlich die traditionellen Wertverwalter versagt, die uns früher bei den Fragen des Lebens zur Seite standen, also die Kirche, die Eltern und natürlich Dr. Sommer.“ Im Untertitel heißt das Buch „Das Manifest gegen das schlechte Gewissen“. Damit gibt der Autor das Programm vor. Auf den Scheiterhaufen sollen all die Besserwisser und all die Gewissensbisse landen, die dem Mann bei der Ausübung seiner natürlichen sprich gottgegebenen Männlichkeit im Wege stehen.

Öffentlich angeprangert werden all die kleinen Männer (und Frauen) im Ohr, die dem Menschen bei Themen wie Gesundheit (mehr Sport, weniger Alkohol), Ernährung (weniger Fleisch, mehr Gemüse), Freizeit (am Wochenende auch mal was unternehmen), Gesellschaft (politisch und ökologisch korrekt leben) oder beim Sinn des Lebens (eine Familie gründen und glücklich sein) mit ihren Ratschlägen gewaltig auf den Wecker gehen. Das hört sich dann so an: „Tofu: Geschmackloser Schmodder, für dessen Anbau der Lebensraum ganzer Indianervölker dem Erdboden gleichgemacht wird.

“ Und zur allgemein grassierenden Sexsucht schreibt Tommy Jaud, dass er oft die Tiere beneide: „Die müssen nämlich weder die Weinkarte durchlesen noch auf Knoblauch verzichten.“

Jaud hat einmal über Jaud gesagt, seine Bücher seien wie „Fernsehen zum Lesen“. Das trifft auch auf sein neuestes Werk zu. Die pure Anzahl der Seiten (305) mag zwar den durchschnittlichen Fernsehzuschauer zunächst schockieren. Allerdings müssen Freunde der Fernsehzeitschrift nicht gleich in Panik verfallen. Jaud gönnt seinen Lesern neben Buchstaben viel fürs Auge. Nach jedem Kapitel findet man ein Foto mit dem Konterfei des Autors und direkt darunter die wichtigsten Botschaften auf knackige Kurzformeln in SMS-Größe kondensiert.

Bahnbrechende Erkenntnis

Jaud greift zu einem Kunstgriff, indem er sich hinter dem fiktiven US-Autor Sean Brummel versteckt. Dieser Brummel ist im Knast (natürlich nach einer durchzechten Nacht) zu der bahnbrechenden Erkenntnis gelangt, dass er „einen Scheiß muss“.

Nach dieser Erleuchtung schafft er sich die miese Ehe und den noch mieseren Job vom Hals und wird zu einem Menschen, der Bier braut, mit seinen Freunden feiert und den Zaun nicht mehr streicht. Derartig befreit, schreibt Brummel seinen Anti-Ratgeber, der Amerika die Augen öffnet. Jaud hat lediglich die Aufgabe übernommen, das frei erfundene Manifest ins Deutsche zu übertragen. Einig ist er sich mit Brummel darin, dass „andere und wir selbst uns nicht noch mehr unserer sicher geglaubten Freiheit mopsen lassen“.

In seiner Zeit als Student der Germanistik an der Universität Bamberg moderierte der gebürtige Schweinfurter eine Radiosendung bei Antenne Thüringen und schrieb als freier Mitarbeiter für die „Harald Schmidt Show“. Er brach sein Studium aber ab und zog Köln. Dort war er für verschiedene Fernsehproduktionen tätig, zum Beispiel als Creative Producer für die Comedyserie „Ladykracher“ und als Headwriter für die „Wochenshow“ von Sat.1. Jaud schrieb auch die Drehbücher für die Fernsehserie „LiebesLeben“. Zudem war er Autor für die „heute-show“ mit Oliver Welke.

„Vollidiot“ wurde 2006 mit Oliver Pocher und Anke Engelke verfilmt. Auch an „Zwei Weihnachtsmänner“ mit Christoph Maria Herbst und Bastian Pastewka – das Werk wurde 2009 mit dem Deutschen Comedypreis in der Kategorie „Beste TV-Komödie“ ausgezeichnet – war er maßgeblich beteiligt. Jaud verfasste zudem das Drehbuch für die Verfilmung seines Romans „Resturlaub“. „Einen Scheiß muss ich“ erreichte soeben Platz eins der „Spiegel“-Bestsellerliste.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Nikolas Pelke
Anke Engelke
Bastian Pastewka
Bestsellerautoren
Christoph Maria Herbst
Harald Schmidt
Oliver Pocher
Oliver Welke
Ratgeber
Tommy Jaud
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen