Gleich mit der ersten Filmrolle zum Star zu werden ist selten – Tippi Hedren hat es geschafft. In Alfred Hitchcocks Horror-Klassiker „Die Vögel“ (1963) brilliert das frühere Model als Society-Girl. Im Jahr darauf spielt sie in „Marnie“ eine rätselhafte, psychisch angeschlagene junge Frau. Wie zuvor Grace Kelly und Kim Novak war Hedren eine jener kühlen, unnahbaren Blondinen, die der britische Regisseur in seinen Filmen so erfolgreich einsetzte – sie war wohl sogar die coolste von allen.
In späteren Jahren brachte ihr Einsatz für Wildtiere der Schauspielerin etliche Auszeichnungen ein. In ihrem Reservat „Shambala“ in Kalifornien finden heute Großkatzen eine neue Heimat, zumeist einstige Zirkus- und Zootiere. Am Montag, 19. Januar, wird Tippi Hedren 85 Jahre alt. Ihre Eltern nannten sie liebevoll Tippi, nach einem schwedischen Baby-Kosewort.
Nathalie Kay Hedren, am 19. Januar 1930 in New Ulm/Minnesota als Kind einer deutsch-norwegischen Mutter und eines schwedischen Vaters geboren, beginnt als Teenager zu modeln. Mit 20 geht sie nach New York und arbeitet elf Jahre für die renommierte Eileen-Ford-Agentur. Sie heiratet Peter Griffith, Tochter Melanie kommt 1957 auf die Welt. Als die Ehe scheitert, zieht Hedren mit Melanie nach Los Angeles, um dort ihre Model-Karriere fortzusetzen.
Hitchcock, der eine Nachfolgerin für die nach Monaco verheiratete Grace Kelly sucht, entdeckt Tippi Hedren in einem Werbespot und gibt ihr einen Sieben-Jahres-Vertrag. Hedren, schauspielerisch ohne Erfahrung, eignet sich das Nötige bei Hitchcock und seiner Frau Alma an. „Ich lernte in drei Jahren, was sonst 15 Jahre gedauert hätte“, sagt sie. Die Dreharbeiten zu „Die Vögel“ sind für Hedren extrem hart.
Besonders die Szene, in der die Tiere sie auf einem Dachboden attackieren, gerät zur reinen Tortur. Da Hitchcock auf mechanische Vögel verzichtet, werden lebende Tiere eingesetzt – auf die Schauspielerin geworfen, an ihr festgebunden. Erst ein Schnabelhieb, der Hedren fast ein Auge kostet, bringt eine Unterbrechung, wie Hitchcock-Experte Donald Spoto in seinem Buch „Spellbound By Beauty“ schildert.
Geheimnisvolle Betrügerin
In dem Drama „Marnie“ spielt Hedren eine geheimnisvolle, elegante Diebin und Betrügerin. Der Verleger Mark Rutland (Sean Connery) verliebt sich in sie und stößt auf panische Abwehr. Die irritierende Persönlichkeit der Marnie, die an einem unbewältigten Kindheitstrauma leidet, bringt Hedren nuanciert zum Ausdruck: „Die Figur reizte mich, Marnie, das arme Ding.“ Dann der Bruch: Nach „Marnie“ gibt Hitchcock seinem Star keine Aufträge mehr, auch wenn der Vertrag noch zwei Jahre läuft. Der Regisseur, bekannt für seine Blondinen-Vorliebe, hatte Hedren wiederholt nachgestellt. Sie fühlte sich belästigt, wehrte seine Avancen ab, blieb hart – Erfahrungen, über die sie erst viele Jahre später sprach.
Dank „Die Vögel“ und „Marnie“ ist die Schauspielerin in Hollywood gefragt, andere Regisseure wollen sie engagieren. Doch Hitchcock lässt sie nicht aus dem Vertrag. Nach der zweijährigen Zwangspause steht sie zwar wieder vor der Kamera, bis heute in rund 80 Film- und Fernseh-Produktionen, aber meist in eher kleinen Rollen. Sie reichen von Chaplins „Die Gräfin von Hongkong“ (1967) über John Schlesingers „Fremde Schatten“ (1996) – hier tritt sie mit Tochter Melanie Griffith auf – bis hin zu „Free Samples“ (2012). Seit den 70er Jahren engagiert sich Tippi Hedren intensiv für den Tierschutz.