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SCHWEINFURT
Tiefste innere Einkehr dank Landgren und Wollny
Kongenial: Michael Wollny und Nils Landgren.
Foto: Josef Lamber | Kongenial: Michael Wollny und Nils Landgren.
Von unserem Redaktionsmitglied Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 11.08.2013 12:09 Uhr

Eines der sichersten Indizien dafür, dass der aus Schweinfurt stammende Jazzpianist Michael Wollny längst zur Weltspitze gehört, ist – neben den Preisen, die er praktisch wöchentlich verliehen bekommt – die Tatsache, dass er mal eben drei weitere Chefs der Branche für ein „Funky-Sommer-Party-Programm“ (Wollny) auf die Mainbühne nach Schweinfurt holen kann: den schwedischen Posaunisten und Sänger Nils Landgren, den amerikanischen Bassisten Tim Lefebvre und den Schlagzeuger Wolfgang Haffner.

Michael Wollny macht Musik da, wo moderne Physik und Spiritualität einander begegnen. Seine Kunst entsteht aus dem Bewusstsein der Verbindung von allem mit allem. Der Erkenntnis, dass das kleinste Element immer auch das große Ganze in sich trägt. Aus einem Ton, einem Intervall – einem Atom, wenn man so will – entwickelt er Kathedralen des Klangs. Und Kathedralen sind – weltlich gesprochen – auch eine Art Versuch, das unfassbare Phänomen Universum erlebbar zu machen.

Wenn so jemand auf einen Vollblutmusiker wie Nils Landgren trifft, entsteht Unerhörtes. Wollny hat nicht zu viel versprochen: Das Funky-Sommer-Party-Programm verdient mit etlichen mitreißenden Nummern diesen Namen und ist doch viel, viel mehr. Das Quartett bewegt sich völlig frei zwischen Bebop, Blues und Bossa Nova. Wollny pendelt zwischen Flügel und Rhodes-Piano, zwischen filigransten Figurationen und verzerrten Farbflächen. Nils Landgren steuert unglaublich musikantische Soli bei, immer gestochen scharf, immer beglückend einfallsreich, immer atemberaubend souverän. Tim Lefebvre pflegt einen widerborstigen, minimalistischen Stil. Seine brummigen Drei- und Viertonmotive durchbricht er, lange bevor sie zu mechanischen Ostinati mutieren können. Das gibt eine permanente Unruhe von unten, die sich bestens mit Wolfgang Haffners elegant-treibendem Spiel verbindet.

Haffner strahlt die ganze Zeit übers ganze Gesicht, und vermutlich tun das auch die Zuhörer auf der ausverkauften Tribüne am Flussufer. Man müsste entfesselt tanzen zu dieser Musik, wenn sie einen nicht in diese selige Selbstvergessenheit versetzen würde, die nur ganz große Kunst auszulösen vermag.

Das funktioniert in Eigenkompositionen wie „Main und Meer“ 1 und 2 ebenso wie in der kongenialen Version von Nat King Coles „Nature boy“ – Landgrens samtig-raue Stimme ist wie gemacht für diesen Klassiker. Und den wunderbaren Zweizeiler „The greatest thing you'll ever learn / Is just to love and be loved in return“.

Höhepunkt des Abends aber ist Stings „Fragile“, das Wollny und Landgren zu einem Moment tiefster innerer Einkehr machen. Weingläser auf den hohen Klaviersaiten ergeben einen zerbrechlichen, fragilen Klang.

Nach dem Konzert ist allenthalben eine eigentümliche Mischung aus Euphorie und Ergriffenheit zu spüren. „So etwas werden wir vermutlich nie wieder erleben“, sagt ein ganz und gar verzauberter Zuhörer. Hoffentlich irrt er sich.

 
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