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Theater Schweinfurt: Postkarten gegen Hitler
Peter Bause: Der Schauspieler ist im Theater der Stadt Schweinfurt mit einer Fallada-Adaption zu Gast. Im Gespräch erklärt Bause auch, wo die Lehren von „Jeder stirbt für sich allein“ für die heutige Zeit liegen.
Post wider das Regime: Peter Bause als Otto Quangel und Hellena Büttner als seine Frau Anna in „Jeder stirbt für sich allein“.
Foto: Sabine Layh | Post wider das Regime: Peter Bause als Otto Quangel und Hellena Büttner als seine Frau Anna in „Jeder stirbt für sich allein“.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 10.02.2015 16:42 Uhr

Berlin während der NS-Zeit. Es herrscht Krieg. Otto Quangel ist ein wortkarger, verschlossener Mann. Im Betrieb und auch sonst hält er sich aus allen politischen Aktivitäten heraus. Als der einzige Sohn fällt, wird er noch wortkarger und verschlossener. Seine Frau Anna, die beinahe an ihrer Trauer zerbricht, findet keinen Zugang mehr zu ihm. Bis sie herausbekommt, dass ihr Mann in aller Heimlichkeit begonnen hat, gegen das Regime zu arbeiten. Es ist eine ebenso wahnwitzige wie aussichtslose Form des Widerstands, die die Quangels fortan gemeinsam betreiben: Sie legen handgeschriebene Karten aus, auf denen sie dazu aufrufen, den Nazis die Gefolgschaft zu verweigern. Hans Falladas düsterer Roman „Jeder stirbt für sich allein“ beruht auf dem authentischen Fall des Ehepaars Otto und Elise Hampel. Volkmar Kamm hat das 1947 erschienene Buch für die Bühne eingerichtet und am Alten Schauspielhaus Stuttgart mit Peter Bause und Hellena Büttner inszeniert. Das Stück steht jeweils um 19.30 Uhr am Donnerstag, 12. Februar, und Freitag, 13. Februar, auf dem Programm des Theaters Schweinfurt.

Frage: Herr Bause, in der Rolle des wortkargen Otto Quangel haben Sie ja nicht allzu viel Text.

PEter Bause: So eine Rolle ist schwierig zu lernen, weil es immer nur Satz für Satz geht. Aber es geht ja nicht nur um den Text. Sondern vor allem darum, was man damit machen kann. Deshalb war es eine recht schwierige Erarbeitung, nicht nur für mich, sondern auch für Hellena Büttner, die ja die Frau Quangel spielt.

Wie erleben Sie es, als Figur in diese düstere Zeit einzutauchen?

Bause: Wissen Sie, wenn es in die Abgründe geht, in die Unvorstellbarkeit der Abläufe in diesem verbrecherischen Staat, dann wird man immer fassungsloser. Das berührt einen doch sehr. Aber es darf einen nicht so berühren, dass man das Stück nicht mehr transportieren kann. Man darf diese Rollen nicht spielen, man muss diese Rollen sein.

Der Otto Quangel ist eine schwierige Figur, weil er so schwer zugänglich ist – auch für seine Frau.

Bause: Das stimmt, aber er wird ja sozusagen weicher mit der zunehmenden Bedrohung. Da ist er dann sehr konsequent und seiner Frau eine Stütze. Das hat Fallada – Gott sei Dank, finde ich – so beschrieben. Das sind tapfere, einfache Menschen. Dass das Vorbild der wahren Geschichte, das Ehepaar Hampel, sich zum Schluss, als der Tod bevorstand, noch gegenseitig beschuldigt hat, ist was ganz anderes. Das spielt für das Stück keine Rolle. Dass zwei Menschen aufgestanden sind und diese Karten geschrieben haben, das ist in so einem Staat ein ungeheurer Vorgang. Ich kann das als DDR-Bürger noch ein bisschen beurteilen: Ich weiß nicht, wie es einem ergangen wäre, wenn man Karten gegen Ulbricht oder Honecker ausgelegt hätte.

Otto Quangel ist im Grunde unpolitisch. Er macht sich nur verdächtig, weil er sich aus allem raushält.

Bause: Ich weiß nicht, ob es einen gleich verdächtig macht, aber man fällt zumindest auf. Er hat sich ganz in sich zurückgezogen. Das ist eine innere Emigration, die kommt in der DDR-Verfilmung von 1970 sehr gut zur Geltung.

Was er dann tut, Karten verteilen, ist ja eine völlig aussichtslose Wahnsinnstat.

Bause: Eine Verzweiflungstat.

Was treibt ihn an? Glaubt er wirklich, dass er etwas bewirken kann?

Bause: Er muss ja etwas geglaubt haben, das wird auch in dem Stück deutlich. Volkmar Kamm hat den 700-Seiten-Roman sehr gut übertragen. Aber Otto Quangel konnte sich die Dimensionen einfach nicht vorstellen. Er hat 285 Karten geschrieben, ganze 17 sind in Haushalten geblieben, der Rest ist sofort abgegeben worden. Was auch zeigt, was das für ein System war. Aber wenn man so eine Verzweiflungstat begeht, will man sich erstmal das Leid und den Hass vom Herzen schreiben. Ich stelle mir vor: Wenn ein ukrainischer Vater heute sieht, wie sein Sohn eingezogen wird, diese ganze Sinnlosigkeit des Krieges . . . Möglicherweise werden wir durch den Putin bald noch einen Krieg am Hals haben, der sich gewaschen hat. Ich habe in Stuttgart in den Zuschauergesprächen immer wieder gesagt, dass ich Putin für einen Kriegsverbrecher halte. Grundsätzlich gilt: Ein Staat darf seine Bürger nicht in den Tod schicken, und das haben die Quangels erkannt.

Sie haben mit der Ukraine eine Parallele zur Gegenwart genannt. Nun haben wir in Deutschland die große Diskussion um Pegida, um die neue Rechte. Sehen Sie eine Bedeutung des Stücks für heute auch für dieses Land?

Bause: Es muss diese Verbindung geben. Ich bin ja im Osten trotz meines Alters immer noch ein sehr bekannter Mann, weil ich dort mal sehr populär war. Ich spreche viel mit Zuschauern, gehe in Schulklassen. Erst vorige Woche war ich in Dresden, und da tut es gut, etwas dagegen zu sagen. Aber Pegida hat die Politik in ihrer Bräsigkeit aufgeschreckt, und das finde ich gut. Für mich war ein Tiefpunkt dieser Demokratie, die ich hoch ehre, erreicht, als Herr Oppermann im Fernsehen erzählt hat, er habe den Chef des Verfassungsschutzes angerufen, und sie hätten dreieinhalb Minuten am Telefon geschwiegen. Das fand ich eine solche Beleidigung dem Volk gegenüber. Da sagt man sich doch: Das geht nicht, so können die nicht mit uns umspringen. Und da hat Pegida die Politik zu einer konkreteren Haltung gezwungen. Von den rechten Rändern brauchen wir gar nicht zu reden, das ist furchtbar. Pfui Deibel, aber solche Leute gibt's immer. Aber wenn man 25 000 Menschen zusammenbekommt, kann man nicht einfach von einer „Schande für Deutschland“ reden wie der Justizminister.

Sehen Sie denn einen Ansatz, dass die große Politik sich ändert?

Bause: Es muss sich was ändern. Die müssen doch sehen, dass es unbeantwortete Fragen gibt. Ich kenne Frank Richter sehr gut, der das sächsische Landesamt für politische Bildung führt. Wir haben uns neulich wieder lange unterhalten. Er kommt mit ganz einfachen Sachen: Wenn manche Häuser zum achten Mal beklaut werden, und es passiert nichts mit der Polizei. Im Gegenteil: Sie wird abgebaut. Jetzt sind sie in Dresden so weit, dass sie sich die Reform doch noch mal ansehen wollen. Oder Leute, die mit dem Pfennig rechnen müssen. Wenn gesagt wird, es gibt keine Maut, und dann gibt es die Maut. Das sind Beleidigungen. Das muss die Politik aufnehmen.

Nun hat ausgerechnet Dresden kein Ausländerproblem und schon gar kein islamisches Problem.

Bause: Das Ausländerproblem ist nur ein vorgeschobenes. Die neue Gruppierung will damit ja auch nichts mehr zu tun haben. Richter sagt, die hätten sich auch ganz anders nennen können: „Bürger der Mitte“ oder „Unzufriedene Bürger“. Dann wäre das Licht ganz anders gefallen. Er vertritt wie Ministerpräsident Tillich die Meinung, dass man mit den Leuten reden muss. Die hatten schon ein paar Versammlungen, erzählt er, da gehen die Argumente hin und her, und alle gehen nach Hause. Sie bekommen ihre Antworten.

Wollen sie diese Antworten überhaupt hören. Mein Eindruck ist ein anderer.

Bause: Die Versammlungen jedenfalls sind sehr gut besucht. Das sind ja die Bürger, die sich interessieren, bei denen man sich fragt, warum marschieren die da mit? Die brauchen jedenfalls nächsten Montag nicht mehr mitmarschieren. Aber bei manchen ist der Hass da, obwohl sie gar keine Ausländer haben. Wenn das von rechts bedient wird, dann läuft das. Für mich sind das verlorene Menschen, die erreichen Sie nicht mehr. Wenn Sie schon diese Visagen sehen. Wie sagt Brecht im „Arturo Ui“ über Hitler: „Was für eine Fresse!“ Aber der normale Bürger in Dresden ist erreichbar. Mein Gott, die haben so einen ruhmreichen Namen, die Dresdner, und dann vergeigen sie sich das dadurch.

„Jeder stirbt für sich allein“ nach Hans Fallada, jeweils um 19.30 Uhr am Donnerstag, 12. Februar, und Freitag, 13. Februar, Theater Schweinfurt, Karten: Tel. (0 97 21) 51 49 55.

Peter Bause

Geboren wurde Peter Bause am 15. Dezember 1941 in Gotha. Er lebt in Berlin und ist mit der Schauspielerin Hellena Büttner verheiratet. In Leipzig besuchte er bis 1963 die Schauspielschule. Seine erste Anstellung erhielt er in Neustrelitz, danach am Volkstheater Rostock. In Berlin trat Peter Bause acht Jahre lang im Deutschen Theater auf, bevor er an das Berliner Ensemble am Theater am Schiffbauerdamm wechselte, dem er bis 1993 angehörte. Es folgten Engagements u. a. am Dresdner Schauspielhaus, im Theaterkahn Dresden, in den Komödienhäusern Berlin/Dresden/Hamburg, am Volkstheater München sowie bei den Sommerfestspielen Bad Hersfeld und den Burgfestspielen Jagsthausen. Schon im Fernsehen der DDR sehr beliebt, spielte er nach der Wende den Lehrer Dumbeck in „Unser Lehrer Doktor Specht“, dazu Hauptrollen in „Ein Bayer auf Rügen“ sowie in den Serien „Mordslust“, „Unter uns“, „Praxis Bülowbogen“ und „Liebling Kreuzberg“. 2011 erschien sein Buch „Man stirbt doch nicht im dritten Akt! Erinnerungen“. Text: WP

 
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