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WÜRZBURG
The Dark Tenor: Der Geheimnisvolle
The Dark Tenor: „Beethoven war ein Metaller“, behauptet der erfolgreiche Crossover-Musiker, der strikt sein Inkognito bewahrt. Warum will er eigentlich nicht verraten, wie er heißt?
Michi Bauer
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:59 Uhr

Erst war er der Mann mit der Maske, dann mit Kapuze und schwarz geschminkten Augen – geblieben ist im vierten Jahr nach Erscheinen seines Debüt-Albums die Kapuze: The Dark Tenor nennt sich der namenlose Crossover-Künstler, der Klassik mit Popmusik und zeitgenössischen Texten kombiniert. Und damit großen Erfolg hat. In der Vorweihnachtszeit war nur schwer vorbeizukommen an der Fernsehwerbung für seine aktuelle CD „Symphony of Ghosts“. Der ausgebildete Opernsänger und gebürtige US-Amerikaner kommt aus der Klassik, sang als Kind im Dresdner Kreuzchor und war – jedenfalls nach eigenen Angaben – später zwei Jahre Tenor an der Semperoper. Am 24. Januar 2019 tritt The Dark Tenor mit seiner Band in der Würzburger Posthalle auf.

Frage: Grüß Gott, Herr Dark? Oder lieber Herr Tenor?

The Dark Tenor: Das funktioniert beides. Im Team nennen sie mich schon auch mal Lord oder Maestro. Sie können auch einfach Dark zu mir sagen.

Warum überhaupt die Geheimniskrämerei um den Namen?

Dark Tenor: Für mich ist Musik nicht nur das Schreiben von Liedern und dann damit einfach auf die Bühne zu gehen. Da ich einige Jahre an der Oper gesungen habe, wollte ich immer schon die große Inszenierung, das Theater um die Musik herum. Dazu gehört ein Künstlername, der das ausdrückt, was ich mache: Klassik neu interpretiert und auf eine coole Art und Weise einem jüngeren Publikum präsentiert.

Dark, dunkel, düster – entspricht das Ihrem Naturell?

Dark Tenor: Am Anfang waren da ja auch Maske und Kapuze. Die Maske ist gefallen.

Warum?

Dark Tenor: Das hängt alles mit den Geschichten zusammen, die ich mit den ersten drei Alben erzählt habe. Beim ersten habe ich erzählt, warum so viele Menschen eine Maske tragen. Und dann ging es in der Folge darum, das Stück für Stück abzulegen, den Weg zu sich selbst zu finden und sich der Vergangenheit zu stellen. Vor allem Letzteres geht nur von Angesicht zu Angesicht. Deswegen ist die Maske zum dritten Album gefallen.

Zurück zur Düsternis . . .

Dark Tenor: Die Show ist mystisch, das ganze Artwork drumherum passt dazu. Und ja, ich habe die Möglichkeit, mit The Dark Tenor meine dunkle Seite auszuleben. Aber ich bin grundsätzlich ein sehr umgänglicher Typ, der nicht zu fest zubeißt.

Trotzdem würde die Optik auch ganz gut zu Heavy Metal passen.

Dark Tenor: Beethoven war ja quasi ein Metaller. Verdi und Mozart sind jeweils mit ihrem Requiem von der Struktur nicht so weit von Heavy Metal entfernt. Das waren Rocker, Popper und Punker ihrer eigenen Zeit und bekannt dafür, dass sie gerne Grenzen durchbrochen haben. Jetzt auf der Ghost-Tour habe ich mir Dvoøák und Verdi zu Herzen genommen, habe Stücke von beiden mit meiner Band so ausgearbeitet, dass schon die ein oder andere Gitarre durch die Gegend fliegt. Wir versuchen das Gefühl wieder zu erzeugen, das man damals gehabt hat, als man die Musik eben nicht auf Platte, CD oder im Radio gehört hat. Da gab es eine viel größere Emotionalität bei Konzerten. Bei uns brettern Schlagzeug, Gitarre und Keyboard zu epischen Streichern und imitieren so dieses Gefühl, etwas zum ersten Mal zu hören.

Auf Youtube schlagen Sie in einigen Videos eher leise Töne an. Sehr klassisch.

Dark Tenor: Ich habe parallel immer auch klassische Momente parat. Ich komme ja aus der Klassik, habe acht Jahre im Dresdner Kreuzchor gesungen, zwei Jahre an der Semperoper, habe Bratsche und Geige gelernt. Diese Ebene existiert auch auf den Konzerten parallel zu dem sehr poppig gewordenen neuen Material, da gibt es zum Beispiel ein Stück aus dem Film „Der Pate“ nur mit Piano, Cello und Akustikgitarre. Ich habe aber auch Leonard Cohens „Hallelujah“ oder Schuberts „Ave Maria“ nur mit Pianobegleitung im Repertoire. Ich trenne klassische Interpretation und die Crossover-Sachen, anders als beispielsweise David Garrett, nicht, bei mir vereint sich das in einem Programm.

Sie waren an der Semperoper erster Tenor. Juckt es Sie gelegentlich, ins rein klassische Fach zurückzukehren?

Dark Tenor: Definitiv. Ich war es die ganze Kindheit über gewohnt, in einem großen Klangkörper zu singen. Da fehlt die Faszination eines Chores nach so vielen Jahren Abstinenz schon. Aber ich bin ja gut beschäftigt als The Dark Tenor und habe die Rolle des Botschafters, der Klassik den Kids vermittelt, angenommen. Dafür habe ich auch meinen Hashtag #klassikistgeil.

Und deswegen haben sich auch die Locations geändert. Die Posthalle in Würzburg hat wenig Ähnlichkeit mit der Oper oder einer Kirche. Da ist Beton. Und Beton. Und Beton.

Dark Tenor: Ich war da noch nie, habe aber nur Gutes gehört. Und das passt auch zu meiner Show. Ich habe auch schon in einer alten Brauerei gespielt. Ich mag Locations, von denen man nie denken würde, dass dort klassische Musik gespielt wird. Es ist sehr spannend, Dinge aufzubrechen, zu vermischen und neu miteinander zu kombinieren.

Dann sind Sie ganz sicher auch dick vertreten auf Facebook oder Instagram.

Dark Tenor: Ich versuche die sozialen Medien stetig zu befeuern. Ich sehe da auch das Feedback der Zuhörer. Nehme aber auch gerne die Fans ein Stück weit in meinen eigenen Tagesablauf mit hinein, ohne zuviel von meinem Privatleben preiszugeben.

Jetzt ist gerade Facebook eine Plattform für Provokationen und Diskussionen. Mischen Sie da mit, auch bei politischen Themen?

Dark Tenor: Da ich Amerikaner bin und in Deutschland nicht wählen darf, sehe ich Politik von einer anderen Seite, von der eines Einwanderers. Ich bin zweisprachig aufgewachsen, habe 16 Jahre in Dresden gelebt, und betrachte die Lage dort mit anderen Augen. Ist schon eine merkwürdige Situation dort: Dresden hat die höchste Geburtenrate in Deutschland, eine sehr niedrige Zuwanderer-Quote – und doch haben die Menschen dort Angst vor Überfremdung. Trotzdem beobachte ich das nur. Das Künstlerische hat bei mir klar Vorrang.

Politik und Kunst müssen sich nicht ausschließen.

Dark Tenor: Auf meinem neuen Album habe ich tatsächlich einen Song, der zwar jetzt nicht großartig politisch ist, aber er stellt die Frage: Was wäre, wenn wir uns statt mit Missgunst, Hass und Gewalt lieber mit Liebe begegnen würden? Reicht es, zu lieben, oder muss man auch entsprechend handeln? Der Song heißt „What if we love?“ – und ich hoffe, dass sich jeder Fan das dann selbst beantworten kann.

Wollen Sie mit Ihrer Musik auch etwas bewegen, oder reicht Ihnen das Etikett Unterhaltung?

Dark Tenor: Natürlich möchte ich die Menschen berühren. Und sie auch anregen, sich ähnlich wie ich auf meinem Weg, den eigenen Geistern zu stellen. Das ist ein zentrales Thema des Albums „Symphony of Ghosts“. In den zwei Jahren Produktionszeit habe ich mich den Geistern meiner Vergangenheit gestellt, mir überlegt, wie ich mein Leben verändern muss, um glücklich zu sein. Ich habe eine neue Partnerin. Aber entscheidend ist: Was muss ich an mir ändern, nicht an meinem Äußeren?

Sie haben dann ja auch etwas ganz anderes zwischendurch gemacht: eine Tour mit der Band Unheilig – nur ohne den Grafen. Wäre das nicht was auf Dauer? Der neue Graf . . .

Dark Tenor: Na, da waren ein paar Unheilig-Fans eindeutig dagegen. Die Hallen waren voll, es hat unglaublich Spaß gemacht. Es war 'ne coole Idee, die wir da gemeinsam hatten. Speziell die letzte Show in Zürich war sehr emotional. Aber ich werde definitiv nicht der neue Graf. Er ist nicht ersetzbar. Meine Mission geht wo anders lang.

Und jetzt sind Sie mal ehrlich: Wie viel Ihrer Gagen geht denn drauf, um Nachbarn und Freunde zu bestechen, nicht zur „Bild“-Zeitung zu gehen und Ihren Namen preiszugeben?

Dark Tenor: Null! Meine Nachbarn und Freunde werden emotional bestochen. Aber die Nachbarn, die regelmäßig Pakete annehmen für mich, die bekommen immer mal einen Wein, eine signierte CD oder ein Konzert-Ticket. Die wissen natürlich Bescheid, aber das ist alles total vertrauenswürdig.

 
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