Einen sehr persönlichen Ansatz wählte die deutsche Cellistin Tanja Tetzlaff bei ihrer Interpretation von zwei Solosuiten von Johann Sebastian Bach im Rahmen des Kissinger Sommers. Im für einen Vormittag recht ordentlich besuchten Rossini-Saal des Arkadenbaus trug sie die erste und die letzte Suite wohltuend entschlackt vor. Dazwischen gab es als Gegengewicht die elegische dritte Solosuite von Benjamin Britten. Der Komponist schrieb das von Bachs Suiten und von russischen Melodien inspirierte Werk für den russischen Cellisten Mstislaw Rostropowitsch im Jahr 1971.
Bei Bach bewies Tanja Tetzlaff jede Menge Mut, indem sie stets einen deutlichen Unterschied zwischen dem machte, was für sie kompositorisch tragend war, und dem, was aus ihrer Sicht eher Schmuckelement war. Das war ein barocker Ansatz, der wegen seines klaren Profils zugleich ausgesprochen modern war. Dass sie hierbei die Präludien ungewohnt flott vortrug, war da nur konsequent. So machte sie die übergeordnete Architektur dieser Musik deutlich. Sie tat dies in einem über weite Strecken wunderschön intensiven Tonfall, ohne die Ecken und Kanten der Stücke außer Acht zu lassen. Auf diese Weise verwandelte die Cellistin Bachs Solosuiten aus einem altehrwürdigen toten Kulturgut in lebendige Musik für die Gegenwart.
Das Publikum konnte diesen Interpretationsansatz offenbar mit nachvollziehen. Und so nahm die Solistin nicht nur lebhaften Applaus, sondern sogar laute Bravorufe entgegen. Als Zugabe spielte sie die Sarabande aus Bachs C-Dur-Suite.