Sich in sieben singenden Französinnen den ehemaligen deutschen Kriegsgegner vorzustellen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Doch die Würzburger Tage der Neuen Musik beziehen sich unter dem Motto „zuFrieden?“ (auch) auf das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren. Und – nicht nur da – waren Deutsche und Franzosen eben verfeindet. Heute sieht das glücklicherweise anders aus.
Mit einer guten Stunde europäischer Vokalmusik – überwiegend Französisches aus dem 20. Jahrhundert – präsentierte sich das Pariser Ensemble „Solistes XXI“ beim Auftaktkonzert der Veranstaltungsreihe im Kammermusiksaal der Hochschule für Musik. Die musikalische Leitung oblag dem Algerier Rachid Safir.
In ihrer komplexen Atonalität wirkten Régis Campos „Sanctus“ und Klaus Hubers „Et lud perpetua“ zwar noch etwas verhalten. Doch schon mit Giacinto Scelsis „Sauh IV“ fand das Konzert zu einem ersten Höhepunkt. Vier Sängerinnen agierten hier aus unterschiedlichen Ecken des Saals über das Publikum hinweg – mit Vokalen und fast geräuschhaften Lauten, Stimmvibrationen und sirenenhaften Glissandi.
Scelsis sinnliches Werk scheint weniger Ergebnis eines langen Denkprozesses, sondern vielmehr seinem brodelnden Über-Ich entsprungen. Die Sängerinnen durften ihre Stimmen frei entfalten, ohne Angst, dass etwas „danebengehen“ könnte. Wohl auch deshalb sprach das Ensemble die etwa 50 Hörer mit „Sauh IV“ wesentlich direkter an.
Nahe am Musiktheater
Hätte man sich das dreistimmige „Vergine bella“ des Renaissance-Komponisten Guillaume Dufay auch noch strahlender vorstellen können: Claude Viviers ausgedehnte „Chants“ entwaffneten mit einer für den Kanadier typischen, üppig wuchernden Klangpracht. Der jung verstorbene (in pikantem Zusammenhang ermordete) Komponist liebte die Direktheit des Schlagwerks. In seinen „Gesängen“ lässt er die singenden Damen auch Große Trommel, Woodblock, Triangel, Schellen und Crotales spielen, was Ohr und Auge gleichermaßen beschäftigt.
Diese vielfältigen, dramatischen „Gesänge“ sind schon nah dran am Musiktheater und zeigen neben fantastischem Einfallsreichtum (Husten, Kichern, rhythmisches Sprechen) auch Mut zum Nichts: Vom Ensemble konzentriert und punktgenau vollzogen, machten Momente totaler Stille das Zuhören doppelt spannend.
Ebenmäßig und meist homophon präsentierte sich das „Agnus Dei“ aus Jaques Rebotiers „Requiem“ von 1993; Patrick Burgen hat seine filigranen „Soleils“ mit einem zarten (und von einer der Sopranistinnen wunderschön ausgeführten) Solo bestückt.
Die Tage der Neuen Musik bieten am Wochenende weitere Veranstaltungen. Unter anderem gibt es am Samstag um 21 Uhr und am Sonntag um 19.30 Uhr das Multimedia-Konzert „Dead Wall Tales“ im Theater Bibrastraße.