„machtSpiele“ ist das Motto der neuen Spielzeit am Würzburger Mainfranken Theater. Gleich die erste Premiere in den Kammerspielen, „Das Interview“ von Theodor Holman nach dem Film des Niederländers Theo van Gogh, lotet modellhaft die Dimensionen des Mottos aus. Es stellt die Frage nach journalistischer Wahrheit und Wahrhaftigkeit in den Mittelpunkt: Wem kann man im zeitgenössischen Mediengeschäft zwischen Starkult und Quotenjagd noch vertrauen?
In dem Stück nach dem gleichnamigen Film konfrontiert der 2004 ermordete Regisseur und Autor den abgebrühten Top-Journalisten Pierre mit dem Fernsehstar und Silikon-Busenwunder Katja. Schon der Beginn des Gesprächs missglückt: Statt sich behutsam aufeinander einzulassen, gehen sie sofort in den psychologischen Nahkampf über, beleidigen sich, ringen erst um die Gesprächshoheit, später um die Deutungsmacht ihrer Aussagen.
Was als spielerisches Geplänkel beginnt, wird letztendlich zum Kampf auf Leben und Tod, in dem sich erzählte Wirklichkeit und vorgespielte Fiktion immer mehr durchdringen und der Zuschauer wie in einem guten Krimi hellwach sein muss, um keine Nuance, keine Wendung, keine neue Finte zweier Medienprofis zu verpassen. Hinter den eiskalten Berufsfassaden werden allmählich die psychischen Verletzungen und körperlichen Verwundungen der Gesprächsgegner offenbar: Pierre ist traumatisiert (und verwundet) von den Erlebnissen als Reporter im jugoslawischen Bürgerkrieg; Katja ist eine begnadete Schauspielerin, die – gestählt von Kontakten mit der Boulevardpresse – alle darstellerischen Register zieht, um ihr Ziel zu erreichen: die Verschleierung der Wahrheit und ihres inneren Kerns.
Mit Georg Zeies und Gastschauspielerin Evamaria Salcher hat Regisseur Klaus Müller-Beck eine ideale Besetzung für seine zurückhaltende, klug durchdachte, weil die verschiedenen Gesprächsebenen szenisch differenziert darstellende Inszenierung gefunden. Zeies gibt Pierre die Balance zwischen zynischer Abgeklärtheit und berufsbedingter Empathie. Salcher offenbart, wie selbstverständlich, Katjas Spagat zwischen Starlett, Medienschlampe und tief einsamer Frau. Der Inszenierung gelingt es, zugleich ganz nah an den beiden Figuren zu sein und doch eine kühle, fast ironische, nicht zuletzt durch Lounge-Sounds hergestellte Distanz zu wahren. Die beiden Darsteller machen aus dem 75-minütigen Kammerspiel einen subtilen Thriller um Macht und Ohnmacht im Journalismus, um die nie genau zu ziehenden Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion.
Nächste Vorstellungen: 23., 26. und 28. September. Tel. (09 31) 39 08-124