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BAD KISSINGEN
Sternenglanz erst ganz zum Schluss: Joseph Calleja beim Kissinger Sommer
Joseph Calleja
Foto: Mathias Bothor | Joseph Calleja
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:33 Uhr

Parallelen zwischen Klassikkonzerten und Fußballspielen sind verpönt. Zu Recht. Sport-Sprachbilder wie „jetzt machen sie hinten dicht“ haben in einer Rezension ebenso wenig verloren wie feuilletonistische Formulierungen wie „der Farbauftrag im Mittelfeld wirkt ein wenig pastos“ in einem Fußball-Kommentar.

In diesem Falle sei eine Ausnahme erlaubt. Denn selten ähneln zwei Dramaturgien einander so sehr wie das WM-Spiel Deutschland-Schweden und der Auftritt des maltesischen Tenorstars Joseph Calleja beim Kissinger Sommer. In beiden Fällen boten die Akteure während der regulären Spielzeit ansprechende bis begeisternde Leistungen, doch das Entscheidende fand in der Nachspielzeit statt. Beziehungsweise in den Zugaben.

Immer wieder kommt es vor, dass ein Solist erst so richtig zu sich findet, nachdem das gedruckte Programm unfallfrei absolviert ist. Das soll im Falle Calleja durchaus nicht heißen, dass die Arien von Verdi, Bizet, Cilea, Puccini, Massenet und Offenbach entscheidende Wünsche offengelassen hätten. Im Gegenteil: Belcanto-Bravourstücke wie „Celeste Aida“, die Blumenarie aus „Carmen“ oder „E lucevan le stelle“ (Und es leuchteten die Sterne) aus Puccinis „Tosca“ kamen mit allem gebotenen Schmelz, mit Wucht, mit Weite und mit Größe. Joseph Calleja hält sich nicht umsonst seit gut 20 Jahren in der weltweiten Tenor-Topriege.

Und doch. . . Calleja, begleitet vom hinreißend makellos und unglaublich farbig aufspielenden Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung von Ramón Tebar, wirkte irgendwie befangen. Viel Forte und sehr zielgerichtete, fast unflexible Phrasierungen, wenig Piano, wenig Innehalten.

Bis zu den Zugaben. Schon bei „Non ti scordar di me“ oder „O sole mio“ erste Anzeichen der Befreiung. Doch dann die zweite Version von „E lucevan le stelle“ als Zugabe Nummer vier: Plötzlich war sie da, diese Innigkeit, die Operngalas generell gerne fehlt. Plötzlich stand die Zeit still. Plötzlich war Zeit für Agogik, für Piano, für feinste Farben. Jubel hatte es im Max-Littmann-Saal des Kissinger Regentenbaus schon vorher mehrfach gegeben. Nun aber schien Ergriffenheit vorzuherrschen.

 
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