Mozart ist beliebt, man glaubt, ihn zu kennen, man ordnet seine Musik in die angenehme, gut anzuhörende, meist heiter-unkomplizierte Rubrik ein. Für seine Motette für Sopran und Orchester "Exultate, jubilate" mit ihrem italienischen Touch mag das durchaus stimmen. Julia Lezhneva mit ihrer glasklaren, geraden Stimme macht im Abschlusskonzert des Kissinger Sommers dieses Werk zu einer musikalischen Leckerei, nachdem sie vorher schon in Ludwig van Beethovens Konzertarie "Ah! Perfido" die Seelenqualen, den Stimmungswandel einer vom Liebhaber verlassenen Frau nachdrücklich hörbar gemacht hat.
Die anfangs von der Bremer Kammerphilharmonie unter ihrem Dirigenten Paavo Järvi facettenreich musizierte Ouvertüre zu "Don Giovanni" mit ihren bedrohlichen Komtur-Akkorden passt dann schon nicht mehr ganz in dieses Bild. Und dann wird vom Chor des Bayerischen Rundfunks zusammen mit den Bremern die "große Messe" c-moll aufgeführt. Da fängt das Staunen, das Bewundern, das Rätseln über die vielen Stile in dieser unvollendet gebliebenen Messe an. Man erlebt eine gelegentlich an Bach gemahnende kontrapunktisch verschlungene Musiksprache, eine Fülle von melodischen Einfällen und atemberaubenden Passagen. Da ist nichts mehr von heiter-unkompliziert.
Der Chor singt einfach perfekt, lässt sich von Järvi in die subito piano Effekte präzise hineinnehmen. Ein weiterer Beweis für seine Qualität ist die Tatsache, dass die männlichen Solisten, die beiden Tenöre Moon Yung Oh und Andrew Lepri Meyer, sowie der Bass Michael Mantaj aus dem Chor kommen. Sie können in ihren kleinen Aufgaben durchaus mit den beiden Sopranistinnen, neben der schon erwähnten Lezhneva und der mühelos, leicht tremolierend singenden Valentina Farcas – ihr "Et incarnatus" berührt – mithalten. Großer Beifall im ausverkauften Haus.