Martin Stadtfeld: Ja, letztlich muss die Musik für sich sprechen, aber ich spreche auch gern über Musik. Ich finde es wichtig, die eigenen Gedanken zur Musik auch zu kommunizieren und deren Enträtselung nicht gänzlich dem Zuhörer zu überlassen.
Stadtfeld: Ja, das finde ich auch ungeheuer schwierig. Ich habe es auch immer mal wieder erwogen, aber das wird mir dann zu tüftelig.
Stadtfeld: Die meisten Künstler haben das Bedürfnis, die eigene Auseinandersetzung mit der Musik zu erklären – auch um Missverständnissen vorzubeugen und ihre Interpretationen verstehbarer zu machen. Hinzu kommt das emotionale Bedürfnis: Wir wollen in Worte fassen, warum uns Musik bewegt – auch wenn wir da im Endeffekt immer wieder ins Leere laufen, gerade bei der Musik von Bach, die sich einfach nicht in Worte fassen lässt. Und trotzdem hat man das Bedürfnis, es tun zu müssen (lacht).
Stadtfeld: Auch Kritiken versuchen ja, für Musik zu begeistern, natürlich schon in dem Wissen, dass sich ein Konzert nicht komplett beschreiben lässt. Trotzdem sind sie wichtig, um die Brücke zu schlagen – aber irgendwo hören die Worte eben auf.
Stadtfeld: Ja, denn es interessiert mich einfach, wie der Kritiker, der ja auch in dieser Musikwelt lebt, es empfunden hat und was von meiner Intention angekommen ist. Und wenn das nicht der Fall war, kann man sich ja durchaus mal die Frage stellen, woran dies gelegen haben könnte. Außerdem interessiert man sich immer dafür, was über einen geschrieben wird – das ist menschlich.
Stadtfeld: Das stimmt – bei manchen hat man irgendwann das Gefühl, sie werden immer kritisch schreiben. Vor Jahren ging mir das noch näher, aber ich habe auch gelernt: Denn wenn ich daran schon verzweifle, kann ich in diesem Beruf auch nicht bestehen.
Stadtfeld: Da ging mir das manchmal schon nahe, gerade als das mit den polarisierenden Kritiken begann. In Berlin etwa werde ich bis heute regelmäßig abgewatscht – aber inzwischen habe ich es als einen Mechanismus begriffen, der manchmal eben dazugehört. Dann ärgere ich mich gelegentlich in dem Augenblick, wo ich es lese, aber es erschüttert mich nicht mehr. Und grundsätzlich finde ich solch eine Polarisierung ja auch gut, zeugt es doch von einer gewissen Reibungsmasse (lacht).
Stadtfeld: Diese Frage begleitet mich seit über einem Jahrzehnt, ohne dass ich eine Antwort hätte, die sich in wenigen Sätzen zusammenfassen ließe. Was ich festgestellt habe: Die Antwort verändert sich ständig. Denn Bachs Musik ist ein Spiegel meiner selbst, meiner Lebensphasen und des Stadiums der Entwicklung, in dem ich gerade bin.
Stadtfeld: Aktuell hat Bachs Musik für mich auch etwas ungeheuer Tröstliches. Sie nimmt uns Menschen, die wir ja auch immer etwas Verzweifeltes mit uns herumtragen, an die Hand. Bei vielen Komponisten ist es ja so, dass wir die Emotionen, die wir in uns fühlen, auch in der Musik wiederfinden – das heißt, wir fühlen uns verstanden. Bei Bach geht es eine Stufe weiter: Er drückt nicht nur, wie etwa Mahler, Verzweiflung aus, sondern er fühlt mit uns und tröstet uns tatsächlich auch in unserem Schmerz – und das ist schon einzigartig.
Stadtfeld: Ich bin vor zwei Jahren Vater geworden, insofern spielt das bestimmt auch eine Rolle: die Sorge um das Kind, die Angst, dass dem Kind etwas passiert, das Gefühl dafür, dass unser Leben durch kleine Wendungen in katastrophaler Art und Weise wegrutschen kann – und wenn dem eigenen Kind etwas passiert, dann ist das so eine Wendung, das kann ein blöder Zufall sein, dann bricht das Leben, das stabil erscheint, völlig aus den Fugen. Und je älter man wird, umso stärker prägt sich dieses Bewusstsein aus, dass der Grund, auf dem wir uns bewegen, eigentlich gar nicht so stabil ist, wie wir es gern hätten.
Stadtfeld: Es ging und geht mir darum, auch für das einzustehen, woran ich glaube. Ein alter Freund hat mir einmal den schönen Satz gesagt: Entscheidend im Leben ist, das zu tun, was man liebt . . .
Stadtfeld: . . . dabei aber immer bereit zu sein, auch die Rechnung dafür zu zahlen. Und das ist eigentlich der entscheidende Satz: Wenn ich für Werte einstehe, werde ich natürlich von Jahr zu Jahr auch konsequenter – auch in dem Sinne, dass ich möglicherweise irgendwann die Konsequenz zu tragen habe.
Stadtfeld: Wenn ich sage, für mich ist die klassische Musik etwas ganz Bedeutsames und gehört auch auf eine ernsthafte Art und Weise vermittelt, kann ich mir damit durchaus bestimmte Möglichkeiten verbauen, die ich hätte, wenn ich bereit wäre, mich zu verbiegen. Doch für mich ist das eigentlich erst der Punkt, wo ich tatsächlich für meine Werte eintrete.
Stadtfeld: Eigentlich bin ich bisher meinen Werten treu geblieben. Vielleicht gab es da ein oder zwei Fernsehgeschichten, die ich heute nicht mehr machen würde, denn dort wurde jemand oder vielmehr die klassische Musik nur auf primitive Art und Weise missbraucht für eine Unterhaltungssendung. Andererseits war ich auch mal bei Stefan Raab in der Sendung . . .
Stadtfeld: . . . und das war genau solch ein Auftritt, wo ich meine Werte vertreten habe. Ich habe mich da eben nicht auf dieses Geplänkel eingelassen und auf dieses blöde „Wer ist lockerer, wer ist witziger“-Niveau, sondern bin wirklich eisenhart reingegangen mit dem, wofür ich stehe, und habe das auch versucht zu vermitteln.
Stadtfeld: Klar, denn Stefan Raab hat natürlich versucht, mich vorzuführen und lächerlich zu machen mit dem, wofür ich einstehe: Ach, Klassik, das ist doch dieses alte Zeug, warum spielt ihr denn solch alten Mist . . . Doch je plumper er wurde, desto ernsthafter habe ich meine Werte vertreten.
Stadtfeld: Es gibt Dinge, die mir heilig sind und nicht für etwas missbraucht werden dürfen – und die Musik ist mir ein Stück weit heilig. Ich bin ihr dankbar, dass es sie gibt, und lasse sie daher auch nicht zerfleddern für Anbiederungen a la „Klassik ist doch so sexy“: Nein, Klassik ist nicht sexy. Klassik ist tiefgründig und wunderbar und erhaben. Und das ist das, was die Menschen brauchen – sexy haben wir schon genug.
Stadtfeld in der Region: In Weikersheim am 16. Mai um 20 Uhr im Rittersaal, Tel. (0 79 34) 10 25 5, in Bad Kissingen (Duo-Abend mit Cellist Daniel Müller-Schott) am 20. Juni um 20 Uhr im König-Ludwig-Saal, Tel. (09 71) 80 48 44 4, in Würzburg am 21. November im Vogel Convention Center, Tel. (09 31) 4 18 22 21 (Mo-Fr) oder tickets@wuerzburger-benefizkonzert.de