Rembrandt!!! Die neue Ausstellung mit Werken des holländischen Meisters in Amsterdam kennt nur Ausrufezeichen. Gut 100 Gemälde, Zeichnungen und Drucke aus aller Welt zeigt das Reichsmuseum bis zum 17. Mai. „Der späte Rembrandt“ ist ein Erlebnis, verspricht Museumsdirektor Wim Pijbes: „Das ist die spannendste und schönste Ausstellung, die man je gesehen hat.“
Das sind große Worte. Aber dass überhaupt so viele Meisterwerke aus Museen und Privatsammlungen aus Europa und den USA an einem Ort zusammenkommen, ist sicher einzigartig. Alle stammen aus der letzten Schaffensperiode des Malers. Zum ersten Mal hängen sie nebeneinander und nur wenige Meter von Rembrandts berühmtestem, 1642 entstandenem Gemälde entfernt: „Die Nachtwache“.
Seine „schönsten und intimsten Werke“ aber, so Pijbes, malte Rembrandt (1606-1669) später, ab 1651. Es war eine schwere Zeit für den Maler, seine zweite Frau Hendrickje und sein Sohn Titus starben, er war finanziell ruiniert. Doch es war auch eine ungeheuer kreative Zeit.
In den intimen Sälen im kürzlich eröffneten neuen Philipsflügel wird die radikale Wende des Meisters von Licht und Schatten gezeigt. „Er ist freier, lockerer und emotionaler“, sagt Kurator Gregor Weber. „Er schmierte die Farbe mit dem groben Palettmesser auf die Leinwand wie ein Maurer mit der Kelle“, so Weber weiter. Er kratzte mit der Rückseite des Pinsels in die nasse Farbe, verwischte Konturen und skizzierte scheinbar nur Körper und Kleidung. Manche verteufelten ihn daher damals als „Ketzer der Malerei“. Andere priesen ihn als „Größten des Jahrhunderts“.
Seinen Freund Jan Six etwa zeigt er nicht in großer Pose. Das Cape lässig um die Schultern, streift der sich den Handschuh über die weißen Manschetten, als wolle er gerade ausgehen. Fast nachlässig malte Rembrandt die kostbare Kleidung. Ein bewusstes Statement, sagt Weber: „Seht her, ich muss nicht pingelig mit dem Pinsel jede Stofffalte ausmalen, ich kann es auch so.“
Tatsächlich: Man meint, ein reich verziertes Spitzenhemd zu sehen. Doch in Wahrheit ist es nur ein grober Pinselstrich. Der Eindruck reicht aus, sagt Weber. „Das war so einzigartig, dass es erst Hunderte Jahre später von anderen wieder getan wird.“ Aus seinen späten Werken spricht auch eine große emotionale Tiefe und Zärtlichkeit.
Wie etwa bei „Die Judenbraut“ oder „Badende Frau“ – nach der Geschichte der Susanna aus dem Alten Testament. Sie hebt tief in sich versunken ihr Hemd und entblößt Brust, Beine und sogar die Scham. Doch das deutet Rembrandt nur an. Der Betrachter wird zum Voyeur, sagt Weber. „Rembrandt fordert uns heraus, das Bild durch unsere Augen und Gedanken zu vervollständigen.“ Bei Tageslicht und vor dunklem Hintergrund strahlen die Bilder den Betrachter an, auch der Meister selbst in seinen Selbstporträts. Schonungslos zeigt er ein Jahr vor seinem Tod den eigenen Verfall, das dünne Haar, das durchfurchte Gesicht mit der pergamentartigen Haut.
„Er malt das Leben so, wie es ist“, sagt Direktor Pijbes. Auch das macht seine Aktualität aus. „Viele große Künstler haben im hohen Alter Großartiges geleistet – die Rolling Stones, Picasso, Rembrandt“, sagt Pijbes. Rembrandt ein Rockstar? Der Erfolg gibt ihm recht.
Zehn Jahre lang hatte das Reichsmuseum gemeinsam mit der Londoner National Gallery diese erste Übersichtsausstellung des Spätwerkes vorbereitet. In London sahen diese bereits etwa eine Viertelmillion Menschen, in Amsterdam werden mindestens ebenso viele erwartet. Das Reichsmuseum zeigt nicht nur zusätzlich vier Meisterwerke. Es ist auch die erste große Rembrandt-Schau seit über 20 Jahren in der Stadt, wo er den größten Teil seines Lebens lebte und starb. Alle Werke sind dort entstanden. „Rembrandt kommt nach Hause“, sagt Direktor Pijbes.
Der Buchtipp: Jonathan Bikker, Gregor J. M. Weber: Der späte Rembrandt (Hirmer, 304 S., 25,5 x 28,7 cm, 45 Euro)
Das Leben von Rembrandt
Im „Goldenen Zeitalter“ der niederländischen Malerei gilt Rembrandt als barocker Meister von Licht und Schatten. Sein Leben im Schnelldurchlauf: 1606: Rembrandt Harmenszoon van Rijn wird am 15. Juli in Leiden geboren. 1621: Er wird Schüler des Leidener Historienmalers Jacob van Swanenburch. 1624: Er setzt seine Studien bei Pieter Lastman in Amsterdam fort. 1625: Rembrandt eröffnet ein Atelier in Leiden. 1626: Erste Aufträge vom Hof des Statthalters in Den Haag. 1628: Rembrandt erstellt seine erste Radierung. 1629: Er malt sein erstes Selbstporträt, es folgen viele weitere. 1631: Umzug nach Amsterdam. Sein Ruhm wächst, er erhält zahlreiche Aufträge über den Kunsthändler Hendrick Uylenburgh. 1632: Das Gruppenporträt „Die Anatomie des Dr. Tulp“ bringt den künstlerischen Durchbruch. 1634: Heirat mit der wohlhabenden Saskia van Uylenburgh. 1642: Rembrandts berühmtestes Gemälde („Die Nachtwache“) entsteht; Saskia stirbt. 1643: Er macht sich als Maler selbstständig und trennt sich von seinem Kunsthändler. 1647: Die Haushälterin von Rembrandt, Hendrickje Stoffels, wird die neue Frau an seiner Seite – und Modell zahlreicher Bildnisse. 1656: Rembrandts luxuriöser Lebensstil treibt ihn in den Bankrott. 1663: Hendrickje stirbt. 1669: Am 4. Oktober stirbt Rembrandt in Amsterdam. Text: dpa