Nein, hier gibt's kein Bier. Und die Damentoilette ist's auch nicht: Die größte Warteschlange hat's vor der Garderobe. Wer tappt schon gern in Polyester-Schlaghose und Glitzerjackett oder quietschbuntem Kleidchen und weißen Plateaustiefeln durch Würzburg? Also muss abgegeben werden, was den seltsamen Aufzug notdürftig verhängt. Und dann nichts wie rein ins Getümmel: Schlagerparty in der Würzburger Posthalle. Dieter Thomas Kuhn ist mal wieder da. Und 1700 wild bebrillte Blumenkinder feiern mit dem Schmalztollen-Barden.
Die „singende Föhnwelle“ aus Tübingen schmachtet, scherzt und schmettert. Suhlt sich im Siebziger-Sumpf einer Musikwelt, als der deutsche Schlager noch deutscher Schlager war. Da wird sich weder an Dancefloor noch Rockbühne rangewamst, Unfug. Es lebe das Spießbürgertum einer unbeschwerten Epoche. Ironie hin, Ironie her – es scheint, als hätten die überwiegend jungen Schlager-Enthusiasten tatsächlich ein wenig Sehnsucht nach heiler Welt. Ob „Griechischer Wein“ oder „Die kleine Kneipe“: Wenn's schunkelig wird, dann geht die Menge ab. Hoch die Arme, Plastik-Sonnenblume wedeln.
Mehr als nur Afrolook-Perücken
Dann blüht auch Thomas Kuhn, der sich den Dieter mal eben vom Hitparaden-Heck stibitzt hat, richtig auf. Gesanglich jetzt. Während er bei Bierzelt-Klassikern wie „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ oder „Über den Wolken“ mal ein bisschen außer Atem gerät, verleiht er bei den Schmachtfetzen der respektablen Band eine ordentliche Stimme. Auch Schlager-Parodie hält sich nicht über zwei Jahrzehnte, wenn sie nicht gut gemacht ist. Und bei Dieter & Co. ist's eben ein bisschen mehr als nur Afrolook-Perücken und Bling-Bling-Anzüge. Der 51-Jährige stellt sich vor dem riesigen Peace-Zeichen auf der Leinwand selbst die Frage: „Wie kann man in diesen schweren Zeiten nur ewig Frohsinn verbreiten? Scheiß drauf, wir machen das jetzt seit 25 Jahren.“ Erklärt's jetzt nicht wirklich, muss es aber auch nicht.
Denn das Ergebnis zählt: Und das ist eine ausgelassene Party-Meute. Die bei „Und es war Sommer“ so textsicher ist wie bei „Fremde oder Freunde“. Zur Melodie von „Sierra Madre“ gibt's immer wieder „Dieter, Dieter Thomas Kuhn“-Gesänge. Der Meister bedankt sich mit einem gewaltigen Zugabenblock von „Anita“ über „Ti amo“ bis „Tränen lügen nicht“ sowie einer irren Verkleidungsshow: Eben noch weißer Fellmantel über blanker Brust, dann Adidas-Trainingsanzug, Model Ivan Lendl. Herrlich skurril – wie das „Musik ist Trumpf“-Thema vom Band, das die Kostümparade zur After-Show-Party nebenan geleitet.