Als Mittzwanzigerin wurde sie bundesweit bekannt, noch während sie die Schauspielschule absolvierte: Sophie von Kessel war die Hauptdarstellerin in der ARD-Serie „Schloß Hohenstein“. Die Schauspielerin fühlt sich auf der Theaterbühne genauso wohl wie vor der Kamera. Am 16. und 17. Januar liest sie in Schweinfurt aus Isabel Allendes Roman „Paula“. Am Abend vor dem Telefonat mit ihr strahlte das ZDF die Komödie „In den besten Familien“ aus . . .
Sophie von Kessel: Ach, das ist ja nett, dass Sie mir das sagen. Ich dachte eigentlich, dass irgendjemand vom ZDF anrufen würde.
Von Kessel: Mir persönlich ist sie gar nicht wichtig, aber den Redakteuren ist sie wichtig, und das sind ja dann letzten Endes unsere Arbeitgeber. Ich hab's immer noch nicht so richtig verstanden. Bei den Privaten verstehe ich es natürlich, aber bei den Öffentlich-Rechtlichen verstehe ich das ehrlich gesagt nicht so ganz. Jedenfalls hat es mir noch keiner so richtig erklären können, warum die Quote so wichtig sein soll.
Von Kessel: Diesen Gegensatz genieße ich total. Erst mal, dass es eine ganz andere Art der Arbeit ist, Theater und Film. Und dass es ganz andere Stoffe sind. Wenn man das beides haben kann, dann ist das eine unheimliche Vielseitigkeit. Und eine Lesung wie „Paula“ gehört ja auch noch dazu, sozusagen noch ein dritter Bereich.
Von Kessel: Ach, gerade, was Rosamunde Pilcher oder auch „Schloß Hohenstein“ angeht, das waren meine Urururanfänge, da war ich teilweise sogar noch auf der Schauspielschule. Und ich habe damals ja nun auch nicht gerade die Hauptrolle bei Michael Haneke (Anmerk. d. Red.: mehrfach preisgekrönter österreichischer Regisseur und Drehbuchautor) abgesagt, um „Schloß Hohenstein“ zu machen. Soll heißen: Es ist ja auch immer die Frage, was einem angeboten wird. Ich hatte noch keinerlei Kameraerfahrung, damals wurde man noch nicht so ausgebildet auf der Schauspielschule, und da war das „Schloß“ natürlich eine unglaubliche Gelegenheit, mein Handwerk zu lernen.
Von Kessel: Nee, das nicht. Es ist meine Vergangenheit, und ich steh' auch dazu. Und es ist ja schon auch so, dass das Theater in der Breitenwirkung nicht so interessiert. Ob man Theater spielt und wie viel man Theater spielt, das kriegt ja kaum jemand mit. Das ist natürlich bei einem Film, bei dem Millionen zusehen, etwas ganz anderes. Ich finde, dass das zu meinem Weg dazugehört, und ich schäme mich auch nicht dafür, aber es ist schon interessant, dass die Leute sich immer daran erinnern, und nicht an die anspruchsvollen Filme, die ich auch gedreht habe.
Von Kessel: Vielleicht. Vielleicht hat es auch damit zu tun, ja. Bei „Paula“ kam die Grundidee nicht von mir, die kam von Isabelle Lhotzky, der Pianistin. Sie und die Sängerin Ruth Kirchner hatten ein Musikprogramm zusammengestellt, mit Piazzolla, Nazareth und anderen, unbekannteren südamerikanischen Komponisten, und dann wollten sie den Abend um Texte erweitern. Da sind sie auf Isabel Allende gestoßen und eben auf „Paula“. Was die Südamerikaner ja ausmacht, sind die wahnsinnig großen Gefühle, und da ist die Beschreibung der kranken Tochter, die Allende bis in den Tod begleitet, in Kombination mit der Musik natürlich sehr berührend. Weil der Roman äußerst emotional ist und weil die Musik extrem leidenschaftlich ist. Das ist eine sehr tragische Geschichte, was aber nicht heißt, dass die Musik deswegen auch immer tragisch ist. Sie ist einfach sehr gefühlvoll.
Von Kessel: Der Umgang mit Emotionen per se. Und was ich auch ganz toll finde, ist, wie sie mit dem Tod umgeht. Wir verdrängen das ja, bis es einem passiert, im Bekanntenkreis oder in der Familie. Und dann ist man überfordert und kann damit nicht umgehen. Bei Allende ist der Umgang mit dem Tod sehr spirituell und deshalb auch sehr tröstlich.
Von Kessel: Ich weiß ja nicht, wie es wäre, wenn ich keine Kinder hätte. Aber: Na, klar! Ein Kind zu verlieren, dass kann man sich tatsächlich nicht vorstellen, es ist das Schlimmste, was überhaupt passieren kann. Und ich glaube, dass es dann auch fast schon egal ist, wie alt das Kind ist. Dieses Verhältnis Eltern-Kind ändert sich nie, da kann das Kind auch 60 sein und die Mutter 80.
Von Kessel: Ich nehm' mich da gar nicht aus. Ich habe mich mit dem Gedanken an den Tod auch nicht konfrontiert, bis es passiert ist. Und wie der ideale Umgang damit ist, das wüsste ich auch gerne. Ich finde den Ansatz, den Isabel Allende hat, extrem tröstlich, fast beneidenswert, aber ich weiß, dass er für mich nicht funktioniert.
Von Kessel: Bedingt, es ist nicht eine Religion im herkömmlichen Sinne, der Ansatz ist sehr spirituell. Es geht darum, dass die Seele weiterexistiert, in der Natur. Als ihre Tochter stirbt, hat sie eine Vision, wie sie mit ihr in den Himmel aufsteigt, wie sie von oben auf die Welt schauen und feststellen: Alles ist in der Natur. Die Seele geht quasi in alles ein. Die Tochter geht nicht durch den Tod, sie bleibt immer da. Das hat etwas sehr Positives und sehr Tröstliches.
Von Kessel: Ich habe das, ehrlich gesagt, so noch nicht versucht. Ich glaube aber, dass man mit diesem Gedankengut auch aufwachsen muss und es schwer ist, sich das später anzueignen.
Von Kessel: Ich halte mich für relativ flexibel, was meinen Wohnort angeht (sie lacht).
Von Kessel: Die habe ich so nicht. Meine Heimat ist dort, wo meine Kinder sind. So wie ich früher immer empfunden habe, dass meine Heimat dort war, wo meine Eltern und meine Schwestern waren. Aber das ist nicht ortsgebunden. Ich könnte mir vorstellen, überall zu leben. Nun ist mein Beruf natürlich in gewisser Weise abhängig von der Sprache, das würde also ein bisschen schwierig, wenn ich jetzt nach China ginge. Aber ich bin auch nicht so gebunden, dass ich sagen müsste: Hier ist meine Heimat, und davon kann ich mich nicht lösen. Oder umgekehrt: Dort ist meine Heimat, und da will ich nie wieder hin.
Von Kessel: Bei mir ist das der jeweilige Moment. Jetzt bin ich in München zu Hause, eines Tages vielleicht in einer anderen Stadt. Ich habe kein Haus meiner Kindheit oder so, wo ich groß geworden bin.
Von Kessel: Eigentlich nicht. Ich empfinde es als ganz große Freiheit. Und ich erlebe und sehe so oft, wie Leute hadern mit ihrer Heimat, sie haben oft eine Hassliebe dazu. Da fühle ich mich total frei davon.
Sophie von Kessel
Die Schauspielerin, geboren am 12. Oktober 1968 in Mexiko-Stadt als Tochter eines Diplomaten, lebte als Kind in Lateinamerika, Finnland, Österreich, Deutschland und den USA. Sie studierte von 1988 bis 1992 Schauspiel am Max-Reinhardt-Seminar in Wien, davon ein Jahr an der Juilliard School in New York. Von 1997 bis 2001 war sie Ensemblemitglied der Münchner Kammerspiele. Sie wirkte in zahlreichen Serien und Filmen mit, darunter mehrfach im „Tatort“, spielte neben Charlton Heston und in einer französischen TV-Serie die weibliche Hauptrolle neben Alain Delon. 2008 und 2009 war Sophie von Kessel bei den Salzburger Festspielen die Buhlschaft im „Jedermann“. Seit 2011 ist sie Mitglied im Ensemble des Residenztheaters München. Von Kessel und der Schauspieler Stefan Hunstein haben eine Tochter und einen Sohn. Sie sind getrennt. Am Mittwoch, 16., und Donnerstag, 17. Januar (jeweils 19.30 Uhr), liest Sophie von Kessel im Theater der Stadt Schweinfurt aus „Paula“ von Isabel Allende. Begleitet wird sie von Ruth Kirchner (Gesang) und Bernd Lhotzky (Klavier), der für seine schwangere Frau einspringt. Karten unter Tel. (0 97 21) 51 - 49 55 oder 51 - 0.