Wenn Dr. Erich Schneider den Blick von seinem Schreibtisch aus nach vorne richtet, sieht er eine Wand voller Pläne: Grundrisse der Festung Marienberg. Hier, in dem Wehrbau hoch über Würzburg, ist der neue Arbeitsplatz des Historikers und Kunsthistorikers, der selbst an diesem profanen Werktag Jackett und Fliege trägt. Der Arbeitsplatz ist neu, doch Schneider ist ein alter Hase in Sachen Kultur. 34 Jahre lang stand er in Diensten der Stadt Schweinfurt, als Leiter der Städtischen Sammlungen und des Kulturamtes, als Heimatpfleger. Die Pläne an der Wand seines Büros zeigen nur andeutungsweise, welche Herkulesaufgabe nun vor Schneider liegt: Er soll als Gründungsdirektor das Mainfränkische Museum zum Landesmuseum umgestalten.
Dabei geht es nicht nur um einen verwaltungstechnischen Akt oder darum, ein paar Ausstellungsstücke zu verrücken. Das ganze Museum soll umziehen: aus den Räumen im westlichen Teil der Festung in die Bauten rund um den Innenhof im Osten. Fürstenbaumuseum und Stadtgeschichtliche Sammlung sollen integriert werden.
Zudem soll die Sammlung neu ausgerichtet werden: Für das Museum, das sich in den vergangenen 103 Jahren vorwiegend der Kunst und Kultur Mainfrankens widmete, soll Schneider ein Museumskonzept „entwickeln, das die fränkische Geschichte und Identität lebendig vermittelt“, heißt es aus dem Münchner Kunstministerium.
Noch steht er am Anfang. Gerade mal fünf Wochen arbeitet er offiziell in der Festung und gesteht, noch nicht jeden Winkel und jedes Gewölbe der weitläufigen Anlage zu kennen. 2025 könnte, laut Machbarkeitsstudie, das Landesmuseum öffnen. Doch die Studie ist über zwei Jahre alt, und Schneider ist lieber vorsichtig: „Da müsste richtig Gas gegeben werden.“ Jedenfalls wird er bei der Eröffnung des Fränkischen Landesmuseums nicht mehr im Amt sein, sondern im Ruhestand: Der gebürtige Kitzinger ist 61. Bis zu seinem 67. Lebensjahr möchte er aktiv bleiben. Lange genug, um zumindest den hinteren Teil rund um das jetzige Fürstenbaumuseum und die Stadtgeschichtliche Sammlung als Museum fertigzustellen, glaubt er. Hofft er.
Beim Konzept fürs Landesmuseum wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Es soll nicht nur die Gebäude um den inneren Burghof, sondern den Hof selbst samt Marienkirche, Bergfried und Brunnen sowie das Riemenschneider-Verlies umfassen. Vielleicht noch das eine oder andere unterirdische Gewölbe. Der Festungsbau wird quasi selbst zum Museumsstück. „Es geht auch um das Erlebnis Festung“, sagt Schneider, der Umbau und Umzug über die Bühne bringen will, ohne je das Mainfränkische Museum komplett zu schließen. An 11 000 bis 12 000 Quadratmeter Gesamtfläche werde gedacht. Das wäre mehr als doppelt so viel, wie das Mainfränkische Museum derzeit belegt, das auch nicht eben klein ist. Nicht jeder Quadratmeter des neuen Museums wird indes zur Ausstellungsfläche. Erstens, weil sich nicht jeder Raum dazu eignet. Zweitens, weil mancher Raum auch für sich wirken soll. Drittens, weil es ein Foyer geben soll, Vortragsräume, ein Museumscafé und – ein besonderes Anliegen des Gründungsdirektors – ausreichend Platz für die Museumspädagogik. Anders als im derzeitigen Museum, wird es auch genügend Fläche für Sonderausstellungen geben. Die sind wichtig, um das Museum immer wieder neu ins Gespräch zu bringen. Am bisherigen Standort wäre all das nicht möglich. Da setzt die alte Architektur Grenzen, macht eine Weiterentwicklung unmöglich. Deshalb der Umzug.
Ob alles, was derzeit im Mainfränkischen Museum zu sehen ist, auch im neuen Haus gezeigt wird – Erich Schneider will sich noch nicht festlegen. Einerseits habe eine Befragung gezeigt, dass die meisten Besucher das üppige Angebot von rund 5000 Stücken des Mainfränkischen Museums schätzen. Andererseits gebe es einen Trend zur „Entsammlung“, also zur Konzentration. Zudem müssen Ausstellungsstücke von außen dazukommen, weil ja im Idealfall ganz Franken repräsentiert sein soll. Leicht wird das nicht: „Die Sammlung des Mainfränkischen Museums reicht derzeit bis etwa 1850“, erläutert Schneider. „Wie wollen wir zum Beispiel Nürnberg als Industriemetropole des 19. Jahrhunderts zeigen? Sollen wir den ,Adler‘ holen?“
Natürlich weiß Schneider, dass die Nürnberger die erste Dampflok, die in Deutschland fuhr, nicht hergeben werden. Doch die Zuspitzung macht deutlich, was auf ihn, sein Team und seinen Nachfolger zukommt, wenn's darum geht, hochwertige Objekte aus anderen Regionen an den Main zu holen. Es ist wie bei allen Projekten, die Schneider auf dem Berg über Würzburg anpacken muss: „Man muss viel und lang und zäh verhandeln.“
Barrierefreiheit ist ein weiterer Punkt, der bei einem zeitgemäßen Museum berücksichtigt werden muss und der bei der „gewachsenen“ Architektur Probleme aufwirft. „Auch über die Erschließung der Festung werden wir nachdenken müssen“, überlegt Schneider. Für Tagestouristen sei die Festung zu weit, ein Besuch zu zeitaufwendig. Teile des Stadtrats denken derzeit wieder über einen Aufzug nach, wie er schon in den 1980er Jahren im Gespräch war.
70 000 bis 80 000 Besucher zieht das Mainfränkische Museum derzeit jährlich auf den Marienberg. „Wir spielen damit im oberen Drittel der Bundesliga“, meint Schneider. Mit den richtigen Maßnahmen könnten's noch mehr werden.
Derzeit wird das Museum von Stadt und Bezirk getragen. Zum 1. Januar 2017 soll es an den Freistaat Bayern übergehen. Der will in die bereits laufende Sanierung der Festung und das Museum rund 100 Millionen Euro investieren.