
Wie schauen eigentlich diese auftoupierten und bunten Poser-Rocker der Achtziger 2012 aus? Auftoupiert, bunt und alt. Musiker wie Fans. Letztere haben, das zeigt der Blick in die mit nicht ganz 6000 Fans gefüllte Bamberger Stechert-Arena, aber durch erstaunlich viele Jungspunde Auffrischung erfahren – auch wenn der Herr noch immer an den Beinen Stretchhose und am Auge Kajal trägt, die Dame gerne einen so engen wie knappen Leder-Minirock. Anlass dieser sehr hübsch anzuschauenden Kostümparade: Mötley Crüe, einst Fleisch gewordener Mädchentraum mit Gitarren, und Saitenhexer Slash, Zylinder tragender, ehemaliger musikalischer Kopf von Guns 'n' Roses, haben den Weg ins Oberfränkische gefunden.
Das ist schon was, bei nur drei Deutschland-Konzerten dieses glamourös-metallischen Doppelpacks, der kaum erwähnenswert von dieser seltsamen Tokio-Hotel/Europe-Mixtur Black Veil Brides unterstützt wird. Und es ist vor allem dieser Saul Hudson, der sich Mitte der Achtziger besagten Zylinder auf das wuschelige Haupthaar gestülpt und sich Slash genannt hat, der den Abend mit Qualität füllt – auch wenn er sich live mit seinem Instrument wesentlich penetranter in Szene setzt als auf Scheibe.
Gut zehn Jahre lang hat Slash an der Seite von Sänger Axl Rose mit Guns 'n' Roses die Szene aufgemischt, ehe er nach diversen Solo-Experimenten auf Alter-Bridge-Sänger Myles Kennedy traf. Ein Glücksfall für den Hardrock, wie sich im Bamberg zeigt: Ob beim Roses-Klassiker „Nightrain“ oder brandneuen Nummern wie „Shots fired“ oder „You're a lie“ – Myles ist besser als es Axl je war. Selbst bei den Gassenhauern „Paradies City“ oder „Sweet Child o mine“ vermisst keiner in der tobenden und schwitzenden Menge den zur eigenen Karikatur verkommenen Exzentriker. Schade nur, dass auf die Sekunde pünktlich nach einer Stunde Schluss ist.
Pünktlich wie die Maurer sind auch Mötley Crüe. Aber leider nur anfangs. Hinten raus schenken sie sich sechs Minuten aufs Plansoll genauso wie eine Zugabe; fragwürdig, angesichts einiger musikfreien Längen bei (an dieser Stelle) unsinnigen Solidaritätsbekundungen für den zwischenzeitlich inhaftierten Tierschützer Paul Watson, bei zum Herumtänzeln auf die Bühne gehievten Fans und beim Schlagzeugsolo von Immer-mal-wieder-Pamela-Anderson-Lover Tommy Lee. Abgesehen von der umständlichen Anmoderation kommt das freilich dem achten Weltwunder gleich. In einer 360-Grad-Achterbahn wird Lee samt Drumset herumgefahren und trommelt auch Kopfüber wie ein Wilder. Witzig: Auch ein Fan, der 19-jährige Felix darf mit.
Wenn der seit 31 Jahren in mehr oder weniger unveränderter Besetzung aufspielende Vierer kommt, bringt er halt ein Stück Hollywood mit. Ok, die Basserei von Nikki Sixx und die Palette des meist weit oben auf der Tonleiter herumturnenden Vince Neil sind genauso überschaubar wie die Allerweltssoli von Mick Mars – doch Retro-Posern wie Steel Panther können die etwas angeknitterten US-na-ja-Boys lässig das Wasser reichen. Neueres wie „Saints of Los Angeles“ wirkt etwas verloren, doch die alten Schinken „Smokin' in the Boys Room“, „Home sweet Home“ oder „Shout at the Devil“ sind immer noch exzellente Abräumer – wie selbstredend auch diese beiden Tanz-Miezen, die knapp eineinhalb Stunden alles geben, aber wenig anhaben.