
2012 war kein besonders gutes Jahr. Selbst der Weltuntergang war eine Enttäuschung. Deshalb: Glücklich ist, wer vergisst . . . Ein zweifach adäquater Titel also für eine rauschende Silvestergala, schließlich ist vielerorts „Die Fledermaus“ an diesem Tag Pflichtprogramm. In Würzburg zum Beispiel, vor allem aber in Wien. Dorthin und auch noch nach New York, Paris, London und Prag nahmen Michael Quast und Sabine Fischmann ihr zunächst vielleicht ein wenig konsterniertes, mit jeder Nummer aber amüsierteres Publikum im Schweinfurter Theater gleich zweimal an Silvester mit.
Sehr kurzzeitig konsterniert sind allerdings höchstens die, die das kongeniale Bühnenduo noch nie erlebt haben. Denn Quast/Fischmann drehen mit hingebungsvoller Drastik und erlesener Albernheit die Hits von Mozart über Strauss bis Offenbach durch die Mangel ihres Einfallsreichtums. Und fusionieren gleich zu Beginn „Don-Giovanni“-Ouvertüre und „Fledermaus“. Grimassieren, jodeln, brummen, kreischen, blöken und dudeln sich durch einige der schönsten Stücke des Musiktheaters, dass es eine reine Freude ist.
Mit großem Ernst bemächtigen sie sich der Werke, spüren noch die kleinste Gag-Möglichkeit auf und setzten das dann schauspielerisch wie sängerisch unglaublich gekonnt um. Der dramatischen Ebene fügen sie einfach noch die der Komik hinzu, und schon ist der Zuschauer hin- und hergerissen zwischen Lachen und Weinen, zwischen Ergriffenheit und Vergnügen.
Wenn die Fischmann, gebürtige Erlangerin, als Eliza Doolittle in „My Fair Lady“ in breitestem Fränkisch „Es grünt so grün . . .“ deklamiert, ist das zum Schreien komischen, aber wenn sie's dann hinkriegt (Quast/Higgins: „Jetzt hat sie's“), dann ist das nicht minder anrührend. Und wenn Quast seinen sächselnden Leporello eine neidisch-geile Register-arie singen lässt oder Don Giovanni sein „La ci darem la mano“ als routinierter Italo-Abschlepper, dann spürt man mehr von der erotischen Sprengkraft dieser Oper als in vielen Stadttheater-Aufführungen. Sabine Fischmann zeigt Vielse(a)itigkeit als nervige Elvira, blöde Zerlina und sogar Mandoline in der Fensterarie.
Aber das ideale Biotop für zwei Rampensäue und Klavier (wacker: Rhodri Britton) ist natürlich die „Fledermaus“. Die Fischmann gibt – unter anderem – einen russisch nölenden Oligarchen Orlofsky, einen bajuwarisch-tumben Gefängnisdirektor und eine ziemlich verschlampte Kammerzofe. Quast kontert mit einem schmierigen Falke und einer Slapstick-Stehgeiger-Nummer, die der Kunst eines Jacques Tati oder eines Charlie Chaplin in nichts nachsteht.
Vor der Zugabe fragt Quast hinterlistig: „Können Sie sich noch an das Motto des Abends erinnern?“ Und dann chargieren sie nochmal eine Runde , was das Zeug hält. Das Publikum ist glücklich und wird so schnell wohl nicht vergessen.