
Neulich wurde in einer Quizsendung im italienischen Fernsehen (pikanterweise im Berlusconi-Sender „La 5“) die Frage gestellt, welcher von vier Hollywoodstars sich wohl einem „ball ironing“ unterzogen habe. Also der Glättung einer Körperpartie, wie nur Männer sie ihr Eigen nennen. Richtige Antwort: George Clooney. Doch, doch, so was gibt es. Wir leben in einer Zeit, in der der äußere Schein auch in den intimsten Regionen eine Rolle spielt. Ein interessantes Paradoxon übrigens.
Wer also glaubt, die Serie „Californication“ (bei uns derzeit auf RTL II) überspitze das Betragen der Schönen, Reichen und mehr oder weniger Erfolgreichen in Los Angeles und vor allem Hollywood, der irrt vermutlich. Wer Teil einer Industrie (oder ihrer Zulieferer) ist, die sich ausschließlich damit befasst, verzerrte Trugbilder zu entwerfen, der wird immer mehr selbst zum Trugbild. Und für das Trugbild Marke Hollywood gelten nun mal strenge Vorgaben – unverhandelbar ist zum Beispiel die totale Haarlosigkeit und Glätte (siehe oben) bestimmter Körperregionen.
Hilfreich ist es außerdem, wenn man keine Berührungsängste vor Rauschmitteln aller Art hat, schließlich gibt es nichts Öderes als die Realität. Wobei davon auszugehen ist, dass so etwas wie Realität ohnehin nie existiert hat. Der Titel Californication setzt sich aus zwei Teilen zusammen: California, der Name des Staats, den weite Teile der USA für ein verkommenes, sittenloses Sündenbabel halten. Und fornication, also Unzucht, in diesem Falle vor allem außerehelicher Geschlechtsverkehr.
Hank Moody, ein New Yorker Schriftsteller, hat vor ein paar Jahren den Erfolgsroman „Gott hasst uns alle“ geschrieben. Hollywood hat ihm das Drehbuch abgekauft und daraus einen Film gemacht. Moody ist von NYC nach LA gezogen, nur um mitzuerleben, wie sein Buch zu einem seichten Machwerk namens „A Crazy Little Thing Called Love“ verhunzt wurde, das mit dem Queen-Song auch nur den Titel gemein hat. Moodys Problem: Er glaubt noch an ein, zwei Dinge. An die Liebe zum Beispiel. An die Kunst, an Literatur, an Sprache, an Musik. Kurz: Er klammert sich an eine völlig überkommene Vorstellung von Wahrhaftigkeit. Was nicht heißt, dass er sich der allgemeinen Sauf-, Koks- und Sexorgie nicht anschlösse. Im Gegenteil: Die Frauen liegen Hank Moody zu Füßen, sie küssen ihn, sie schlagen ihn, sie nutzen ihn aus, betrügen ihn, immer aber wollen sie mit ihm ins Bett.
Moody lässt es sich gefallen, sein Leben ist ohnehin zum Stillstand gekommen – schreiben kann er nicht mehr, und seine große Liebe und Muse Karen will einen anderen heiraten. Warum also nicht ein bisschen Spaß haben. Dieser Spaß wird so explizit gezeigt, dass auf der deutschen DVD-Edition eine rote 18 prangt. Von der Sprache ganz zu schweigen. Kein Satz ohne das F-Wort, was bemerkenswert ist für ein Land, in dem es schon mal vorkommen kann, dass ein achtjähriger Bub vom Unterricht ausgeschlossen wird, weil er einer Mitschülerin die Zunge rausgestreckt hat. Begründung: Das sei eine eindeutig sexuelle Geste.
David Duchovny hat in „Akte X“ den attraktiven FBI-Agenten Fox Moulder gespielt, der auf die weiblichen Fans so sexy wirkte, weil er sich seiner Sexyness nicht bewusst war. Hier ist es nur auf den ersten Blick anders. Duchovny, der im richtigen Leben mit dem Drama seiner Sexsucht für einiges Aufsehen gesorgt hat, ist in „Californication“ zwar selten ganz angezogen zu sehen, aber sein Hank Moody ist alles andere als der frauenverschlingende Zyniker, der er vorgibt zu sein. Im Gegenteil: Wie fast alle großen Helden ist er ein großer Naiver. Trotz seiner offenkundigen Intelligenz, trotz seiner Bildung und einem Horizont, der weitaus weiter reicht als bis zu den Hollywood Hills. Aber wie soll einer überleben, der die erste vielversprechende Beziehung seit Jahren aufs Spiel setzt, weil ihn stört, dass seine Freundin Internet-Sprachkürzel wie LOL verwendet?
Natürlich überlebt er. Zumindest solange die Quoten stimmen. 2014 kommt die siebte Staffel. Hank Moody ist ein Stehaufmännchen, und eines Tages ist er auch wieder erfolgreich. Künstlerisch und wirtschaftlich. Und er gewinnt sogar seine Karen (Natascha McElhone) zurück, auch wenn nie richtig klar wird, was ihn an dieser schönen, aber eigentlich ein bisschen langweiligen Frau so fasziniert. Denn auch ihr gelingt es nicht, Stabilität in sein Leben zu bringen.
Es lohnt sich, darüber nachzudenken, was diesen Hank Moody so liebenswert macht. Vielleicht die Tatsache, dass er die Drogen, den Sex, die Zerstreuungen sucht, um etwas zu empfinden, während alle anderen sich nur betäuben. Vielleicht, weil er trotz aller Schlägereien, Scharmützel und Schikanen nie ernstlich Schaden nimmt. Vielleicht, weil er vollkommen ohne Selbstmitleid auskommt. Vielleicht aber auch, weil für ihn Schlagfertigkeit und Witz veritable Waffen sind, die er mit beneidenswerter Treffsicherheit führt.
„Californication“ ist vordergründig die höchst unterhaltsame Bestandsaufnahme einer Gesellschaft, die allen Glauben an sich selbst verloren hat. Im Grunde aber stellt die Serie, wie alle großen Dramen, die Frage danach, was wirklich wichtig ist im Leben.