Sido ist ein pöbelnder, pubertärer Junge, kiffender Weltverbesserer, geläuterter Messias und nachdenklicher Romantiker – in all diesen Facetten zeigt sich der Berliner zumindest seinen rund 2500 Fans in der Würzburger s.Oliver Arena. Die fordern bei der zweistündigen „richtig fetten Hip-Hop-Show“ neben den aktuellen Radiohits aber vor allem ein ganz bestimmtes Lied.
Er ist „der große Meister“, der „Chef“ und „Boss“: Schon bevor Sido alias Paul Hartmut Würdig das erste Mal die Bühne betritt, ist sein Status geklärt. Denn der 34-Jährige hat neben zwei DJs und Backgroundsängern auch einige rappende Kollegen wie den Würzburger Blut & Kasse, MoTrip und B-Tight mitgebracht, die den Zuschauern klar machen sollen, wer sich da heute die Ehre gibt.
Und dann kommt er: Theatralisch zur brennenden Fackel und vor mehreren riesigen Leinwänden läuft der leicht ergraute frühere Inbegriff des Proletenraps mit Kapuzenpulli und Sonnenbrille auf die Bühne. Eine Hand am Mikro, eine fest im Schritt. „Komm, zündet alle eure Tüten an“, ruft Sido den meist 16- bis 30-Jährigen Fans zu – und einige folgen dem Idol. Immer wieder steigt Rauch in der Arena auf, der Geruch von Marihuana liegt in der Luft.
„Ich bin ein schlechtes Vorbild“, sagt der bald dreifacher Vater auf der Bühne und grinst. Einige Eltern, die mit ihren minderjährigen Kindern wohl wegen der massentauglichen Radiohits zum Konzert gekommen sind, lächeln gequält. Auf den Leinwänden wird ein Film über die Anfänge des Rappers gezeigt, in denen Drogen, frauenfeindliche Texte und Eskapaden das Image des Berliners bestimmten. „Ab und zu bau ich mal Scheiße, dann steht’s am nächsten Tag in der Zeitung. Jeder baut mal Scheiße, aber da steht’s nicht in der Zeitung“, rechtfertigt sich Sido und rappt dann in einem Medley Titel wie „Mama ist stolz“, „Fuffis im Club“ oder „Arbeit“.
Im nächsten eingespielten Film will sich 34-Jährige von seiner lustigen Seite zeigen: So lässt er sich von Ehefrau Charlotte im Fitnessstudio quälen, von Starkoch Alfons Schubeck bekochen, diskutiert mit seinem eigenen Spiegelbild über die Sinnhaftigkeit des Jägermeister-Trinkens und lässt sich auf der Bühne dann von Butler Alexander eben diesen Kräuterlikör einschenken. „Prost Würzburg!“, ruft Sido. „Prost Sido!“, ruft Würzburg.
Sido zeigt seine "richtig fette Hip-Hop-Show" in Würzburg und lässt rund 2500 Fans in der s.Oliver Arena für seinen "Block" singen. (Video: Meike Rost)
Posted by Main-Post Redaktion Würzburg on Freitag, 6. November 2015
Eine Minute später sitzt der Berliner dann in sich gekehrt auf einer Stufe und textet zu den Klängen einer Westergitarre Zeilen wie „Keiner hat mich mitgenommen, mir fehlte die Reife. Doch manche Steine muss man lediglich schleifen.“ Wie geschliffen und reif er mittlerweile sein kann, beweist er mit Liedern wie „Astronaut“ oder „Zu wahr“. Dazu laufen Bilder von ertrinkenden und erschöpften Flüchtlingen über die Leinwand, in großen Buchstaben steht „Refugees Welcome“ geschrieben.
Ein politischer, reflektierter und engagierter Sido – doch nur für wenige Minuten. Denn am Ende muss auch der 34-Jährige einsehen, dass einige der Fans nur eines wollen: „Ich bin mittlerweile erwachsen, verheiratet, meine Frau ist wieder schwanger. Da verlangt ihr doch nicht im Ernst das ich den A****song spiele?“, fragt er das Publikum, das immer wieder die Melodie des berühmt berüchtigten Hinterteilliebkosungslied des Rappers anstimmt.
Knapp zwei Stunden lang lässt er seine Fans zappeln. Erst in der zweiten Zugabe murmelt er sich durch seinen nicht jugendfreien Song aus vergangenen Zeiten – die meisten Familien mit kleinen Kindern sind da glücklicherweise schon längst aus der Halle.
