Manchmal funktioniert es einfach nicht. Die Gags können noch so witzig, die Darsteller noch so charismatisch, die Handlungen noch so spannend sein, und trotzdem stimmt die Quote nicht. Dann zieht der Sender die Reißleine, und die Serie verschwindet vom Schirm. Und mit ihr Menschen, Bilder und Ereignisse, die für viele Fans zum ästhetischen und emotionalen Mobiliar ihres Alltags geworden sind.
Das Fernsehleben ist ungerecht. Manche Serien laufen Jahrzehnte, obwohl (oder weil) sie im Grunde immer die gleiche Geschichte erzählen, andere werden abgewürgt, noch bevor sie so richtig in Fahrt gekommen sind. Oder, schlimmer noch: im spannendsten Moment. Die entsprechenden Medienmeldungen sorgen regelmäßig für Aufruhr, nicht nur in den sozialen Netzwerken. So ging ein regelrechter Schock durch die „Game-of-Thrones“-Community, als die Produzenten laut darüber nachdachten, die Serie möglichst auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs zu beenden. Das wäre jedenfalls besser als bei „True Detective“, deren zweite Staffel Fans und Kritik schon als konfus und sinnlos aufgegeben haben.
Aber es gibt noch viele andere hässliche Begleiterscheinungen der fantasielosen Realität. In der ständigen Angst um ihren Profit nehmen die Geldgeber dauernd Einfluss auf die Handlungen, was dramaturgisch gesehen meist nicht zu Verbesserungen führt, vor allem aber den Fans stinkt. David Lynch und Mark Frost hatten bei „Twin Peaks“ ursprünglich nicht vorgehabt, einen Mörder zu bringen, mussten sich dann aber dem Studio beugen, das einen solchen einforderte. Die Serie verlor daraufhin – vorübergehend – einiges an Eleganz und gruseliger Ungewissheit.
Bei „Lost“ führten Produktionswidrigkeiten wie Autorenstreiks zu verkürzten Staffeln und schließlich zu einer hastigen, dabei völlig unplausiblen und bis heute – zu Recht – heftig umstrittenen Auflösung.
Im Falle von „The Neighbors“ ist das frühe Ende nicht ganz so schlimm. Die kleine, kammerspielartige Serie der ABC, die hierzulande im Disney Channel lief und derzeit im Schweizer Kanal 4+ zu sehen ist, brachte es zwischen 2012 und 2014 in zwei Staffeln auf die für Comedy-Formate üblichen 22 Folgen pro Staffel. Danach war angesichts mauer Quoten Schluss, da half es auch nichts, dass die Figuren in den letzten Folgen immer wieder Anspielungen in Richtung Staffel drei machten.
Dabei ist „The Neighbors“ hinreißend albern, liebenswürdig zivilisationskritisch und auf virtuos unabsichtliche Art humanistisch. Aber vielleicht ist das Thema nach zwei Staffeln tatsächlich auserzählt.
Die Weavers, eine typische Mittelstandsfamilie aus New Jersey, schaffen es, aus der Stadt in eine dieser abgesperrten Siedlungen zu ziehen, in denen nur schmucke Bilderbuchhäuser stehen, die Nachbarn nett und die Vorgärten makellos sind. Das Haus war auffällig billig, aber das hat Familienvater Marty nicht misstrauisch gemacht. Marty ist eher der arglose Typ, was wohl auch nicht gerade förderlich für seinen Aufstieg in der Firma ist.
Jedenfalls: Wie sich herausstellt, wohnen in der Siedlung sonst nur noch Aliens. Genauer gesagt, eine Abordnung des Planeten Zabvron, die den Auftrag hat, die Erde auf ihre Eroberungswürdigkeit hin zu erkunden. Zwar haben die Zabvronier aus naheliegenden Gründen (und weil sie dazu in der Lage sind) menschliche Gestalt angenommen, ihr Verhalten aber ist entschieden seltsam.
In der Hoffnung, sich besser einzufügen, haben sie die Namen berühmter Ex-Athleten angenommen – die Produzenten haben dafür extra die Genehmigung der echten Namensinhaber eingeholt, was, so liest man auf fernsehserien.de, erstaunlich unkompliziert gewesen sei. Neben den Weavers wohnt die Familie des Alien-Anführers: Vater Larry Bird (einst berühmter Basketballspieler), Mutter Jackie Joyner-Kersee (Leichtathletin), Sohn Reggie Jackson (Baseballspieler) und Sohn Dick Butkus (Footballspieler). Dick (Ian Patrick) ist ein hochfragiles, beinahe durchsichtiges Kind, was die Namensgebung zum besonderen Gag macht: Der echte Dick Butkus trug in seiner aktiven Zeit den Spitznamen „The Robot of Destruction“.
Die Nachbarn aus dem All, in ihrer eigentlichen Gestalt selbstverständlich grün, tragen uniformartige Golf-Kleidung, nehmen alles wörtlich, haben keinerlei Sinn für Ironie und nicht viel mehr Verständnis für menschlichen Verhaltensnormen. Die sind aber auch, das zeigt die immer neue Spiegelung durch die Außerirdischen, unüberschaubar komplex und sehr oft unsinnig. Also helfen die Weavers, indem sie den Zabvroniern Erdkunde im wörtlichen Sinne geben. Ein hartes Stück Arbeit ist es zum Beispiel, den Bird-Kersees das Konzept unterschiedlicher Rassen verständlich zu machen – das Phänomen, dass viele Menschen tatsächlich andere Menschen nur nach deren Hautfarbe beurteilen.
Plädoyer gegen Rassismus
Für die Bird-Kersees, in diesem Falle humanistischer als jeder Mensch, ist das vollkommen unbegreiflich. Larry (Simon Templeman) ist weiß, Jackie, gespielt von der hinreißenden nigerianischen Schauspielerin Toks Olagundoye („Castle“), ist schwarz, Reggie ist Asiate und Dick, wie gesagt, sozusagen farblos. Die Folge, in der das Thema zur Sprache kommt, ist ein meisterhaft unangestrengtes Plädoyer für ethnische Farbenblindheit. So fällt nach 44 Folgen der Abschied von Marty, Jackie, Reggie, Larry und den anderen zwar schwer, er ist aber zu verschmerzen.
Unverzeihlich dagegen das Ende von „Kingdom“ nach drei Staffeln im Jahr 2016. Die liebenswürdige, tiefsinnige und leicht schrullige englische Serie mit dem wunderbaren Stephen Fry in der Rolle des Norfolker Anwalts Peter Kingdom fiel der britischen Rezession zum Opfer: Die Werbeeinnahmen des Senders ITV waren eingebrochen. Das Aus kam nach dem überraschendst denkbaren Cliffhanger: Peter Kingdom erfährt, dass er mit seinen beiden instabilen Geschwistern, für die er seit Jahren kämpft, gar nicht blutsverwandt ist.
Lesen Sie in der nächsten Folge: „Quantico“ oder Im Paradies der Verschwörungstheoretiker.