Aus Spaß wurde Ernst, wurde Hype. Seiler und Speer – plötzlich Nummer eins, plötzlich volle Säle. Zumindest einigermaßen. 1200 Fans wollen in der Würzburger Posthalle „Ham kummst“ mitschmettern, müssen darauf zwar gut zwei Stunden warten, haben bis dahin aber jede Menge Spaß. Die Burschen auf der Bühne auch. Also an ihrer Musik, ganz sicher. Ob sie sich ihr Publikum von Anfang an genauso vorgestellt haben? „I glaub, i kenn di“ – ein Songtitel, der einen Hauch Zweifel lässt.
Aber so ist das halt, wenn man einen Riesen-Hit hat, aber erst eine Platte. Wenn zwar alle diesen einen Hit kennen, deutlich weniger Leute das restliche Repertoire und – Entschuldigung – keine Sau die Menschen dahinter. Dass Christopher Seiler ein österreichisch-bissig-grantelnder Kabarettist ist, Bernhard Speer ein feinfühliger Filmemacher, dass sie solo wie im Team für detailverliebten und lebenskritischen Humor stehen – das mag halt nicht passen zu Tirolerhut, Krachlederner und Karohemd. Zu finden ist's aber nicht nur im Würzburger Publikum. Und dann haut's unterm Tirolerhut auch noch den einen oder anderen schallenden Juchzer raus. Liebe Leut‘, der Gabalier war im Sommer da . . .
Der baseballbecappte Seiler und auch der massiv tätowierte Speer schauen vermutlich allerweil ganz gern drüber weg, so ist das halt, wenn der Mainstream plötzlich mal rüberlinst zur Kunst. Und davon packen die beiden und ihre wirklich famose Band erstaunlich viel in die nur eineinhalb Stunden Hauptact. „Soits leben“, „Wia foin, foin, foin“, „Servus baba“ – das ist herrlich kantiger Austro-Poprock. So könnten Ambros oder Danzer heute klingen. Den viel zu früh gestorbenen Danzers Georg lassen Seiler und Speer mit „Ruf mi net a“ auferstehen. „An Kaffee und an Tschick“ könnte auch von ihm kommen, stammt aber von den beiden Bad Vöslauern. Und wird fleißig mitgeträllert, auch wenn die richtigen Antworten im einstelligen Bereich liegen dürften bei der imaginären Saal-Umfrage nach der Bedeutung des Wortes „Tschick“. Ach, „Zigarette“ übrigens.
Das wichtigste Utensil beim Qualmen darf dann auch aus der Tasche. Bei „Setz di her“. Seiler sagt wie's geht: „Die Älteren nehmen das analoge Licht, für die Jüngeren gibt's die Feuerzeug-App.“ Selbstverständlich meistert der singende Kabarettist auch die ruhigen Töne: Seine starke Stimme, wohltuend rau und kräftig, tut gut in Zeiten deutschsprachigen Jammer-Pops. Kollege Speer klampft fein dazu. Sich neben einer E-Gitarre auch zwei akustische zu leisten ist alles andere als unnötiger Luxus, das schafft Atmosphäre – wie auch die vielfältigen Perkussionselemente. Schade, dass die beiden Ösis für dauerhaften Hitparaden-Erfolg wohl drei bis vier Jahrzehnte zu spät aufgeschlagen sind.
Gstanzl, Rock und Reggae sind eine spannende Mischung. Und doch warten die Meisten, nachdem „Sperrstund is“ den regulären Teil beendet hat, auf den einen Song, auf den Hit. „Wollt's ihn wirklich hör'n?“, fragt Speer. Was für eine Frage. „Ham kummst“ – und es geht Tatütata. Warum? Eh scho‘ wurscht.