Die Sammlung Georg Schäfer kennt und schätzt Wolf Eiermann seit Jahrzehnten. Sie war der Grund, warum er sich als Leiter des gleichnamigen Museums in Schweinfurt beworben hat. Seit 17. August ist er nun im Amt, am Dienstag hat er sich der Öffentlichkeit vorgestellt.
Der promovierte Kunsthistoriker, Jahrgang 1960, zuletzt beschäftigt an der Staatsgalerie Stuttgart, sieht das Haus mit seinem Bestand von 1000 Gemälden und 4000 Zeichnungen vom späten 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert im Vergleich zur Alten Nationalgalerie in Berlin oder zur Neuen Pinakothek in München „unglaublich gut aufgestellt“.
Er leitet daraus den Anspruch ab, künftig nicht nur Häuser wie den Louvre oder das Wiener Belvedere mit Leihgaben zu bedenken, sondern selbst „die großen Generalthemen der Kunst“ aufzugreifen: „Wir haben alles, was Rang und Namen hat, und dazu in großer Tiefe und Breite auch unbekanntere Künstler.“
Mit der nicht ganz einfachen Konstruktion des Museums hat er sich bereits vertraut gemacht – das Haus gehört dem Freistaat, Trägerin des Museums ist die Stadt, Eigentümerin der Sammlung eine Stiftung. Auch wenn Oberbürgermeister Sebastian Remelé in der Pressekonferenz der Meinung ist, dieses „Triumvirat“ habe das Museum bislang sehr erfolgreich geleitet, so hatte es darin doch unüberhörbar geknirscht, als die Stadt sich vergangenes Jahr von Eiermanns Vorgängerin trennte und Fritz Schäfer, Vorstandsvorsitzender der Sammlung-Dr.-Georg-Schäfer-Stiftung, das Vorgehen Remelés harsch kritisierte. Tatsächlich kann die Stadt einen Leiter ohne Rücksprache mit der Stiftung entlassen, einen einstellen kann sie aber nur im Einvernehmen mit einem weiteren Gremium: dem Museumsbeirat, in dem wiederum Vertreter von Stadt, Stiftung und Freistaat sitzen. Dieses Einvernehmen muss einstimmig sein, was bei Wolf Eiermann der Fall war, betont Wolfgang Köster, neben Schäfer Vorstandsvorsitzender der Stiftung.
Köster wird diesen Posten zum 1. Oktober an Bernd Weiß, Notar und ehemaliger Innenstaatssekretär, weitergeben. Fritz Schäfer wiederum tritt Ende des Jahres als Vorstandsvorsitzender zugunsten seines Neffen Fritz Ritzmann ab, bleibt aber Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung.
Wolf Eiermann ist bewusst, dass sein Posten auch einiges mit Diplomatie und Politik zu tun hat, sagt er, „aber in erster Linie bin ich Kunsthistoriker“. Als solcher will er das Museum thematisch führen. Der in den 1990ern aufgekommenen Mode der „Sammlungs-Ausstellungen“ mit eher historischer Ausrichtung, die Sammler-Persönlichkeiten und -Biografien in den Vordergrund stellen, erteilt er damit eine Absage. Diese Konzepte hätten einen fatalen Effekt gehabt: „Das wissenschaftliche Publikum war begeistert, das breite Publikum fand's langweilig.“
In der Sammlung sieht er jede Menge Themen, die bislang noch nicht bearbeitet wurden. Und er sieht die Notwendigkeit, auf eine Gesellschaft zu reagieren, die sich demografisch und ethnisch wandelt. „Es ist unsere Aufgabe, allen den Weg zur Kunst zu ermöglichen. Die Kunst ist freilich noch die alte, aber sie muss einem neuen Publikum zugänglich gemacht werden.“
Mit dem Stichwort Raubkunst findet Eiermann ein gesetztes Thema vor. Zuletzt hatte der Landtag im Juli den Druck erhöht, das MGS solle sich mit möglicher NS-Raubkunst in seinen Beständen beschäftigen. Das Museum kündigt nun die Einrichtung einer befristeten Stelle für einen Provenienzforscher an, zu besetzen ab Mitte kommenden Jahres.
An der Haltung der Stiftung zum Thema Rückgabe oder Entschädigung werde sich dadurch nichts ändern, so Köster: Die Restitutionsfristen seien schon Anfang der 1950er-Jahre abgelaufen gewesen, Georg Schäfer habe unter unverdächtigen Umständen zu üblichen Preisen im Kunsthandel gekauft und damit gutgläubig Eigentum erworben.
Wolf Eiermanns Ausstellungsplanung bis 2017 steht: „Fragen Sie nicht, wann ich das gemacht habe.“ Von Dezember bis März gibt es ein Intermezzo zur deutschen Karikatur unter dem Titel „Die Drahtseilkünstlerin Germania“. Die Ausstellung „Ritter und Nazarener“ ist der Beitrag des MGS zum Rückert-Jahr 2016. Eiermanns eigentliche Antrittsausstellung ist ab September 2016 zu sehen: „Lockruf der Décadence – deutsche Malerei und Boheme 1800–1920“. Wobei der Titel weniger den Verfall meine als vielmehr die Suche nach einem neuen Modell für Bürgertum. Der Rest des Jahres 2017 gehört dem Multitalent und großen Zeichner Johann Georg von Dillis (1759–1841) und der Begegnung Carl Spitzwegs mit Johann Baptist Pflug. Wolf Eiermann ist begeistert: „Das Programm ist so gut, dass keiner mehr in Urlaub fahren muss.“
Am 23. September feiert das Museum Georg Schäfer 15. Geburtstag mit freiem Eintritt und umfangreichem Programm. Wolf Eiermann wird sich mit einer Antrittsrede vorstellen.
Wolf Eiermann
Der neue Leiter des Museums Georg Schäfer in Schweinfurt wurde 1960 in Schwäbisch Hall geboren. Nach dem Abitur in Stuttgart studierte er zunächst Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Bayreuth und ab 1986 Kunstgeschichte und Archäologie in Erlangen. Nach seinem Abschluss war er dort Wissenschaftlicher Mitarbeiter. 1995 wurde er promoviert. 1996 bis 1998 war Eiermann als Qualitätsmanagement-Berater in der Privatwirtschaft tätig. Seit 1999 arbeitete er als Kunsthistoriker an der Staatsgalerie Stuttgart, zuletzt als Leiter des Archivs Oskar Schlemmer und als Baureferent. Eiermann ist Nachfolger der Gründungsleiterin des Museums, Sigrid Bertuleit. Deren Arbeitsverhältnis endet Ende des laufenden Jahres. Grund für die Trennung, so die Formulierung der Stadt Schweinfurt nach gerichtlicher Einigung, „waren unterschiedliche Auffassungen über die künftige finanzielle und personelle Ausstattung des Museums, die nicht in Übereinstimmung gebracht werden konnten“.