Das Grundstück hinter der alten Mauer ist vernachlässigt. Jemand hat ein Graffiti auf der Mauer überstrichen. Ein Baucontainer im Gestrüpp deutet darauf hin, dass hier etwas passieren wird. Bei Schweinfurtern wecken diese Fotografie und der Name des Künstlers, Oliver Boberg, Erinnerungen. Bobergs Bruder Marc Dominic hat im vergangenen Jahr mit einer Sprühaktion gegen den Abriss des Alten Krankenhauses in Schweinfurt demonstriert. Er musste seine Parolen übermalen, kurz darauf wurde das Krankenhaus samt Mauer abgerissen. Das Foto zeigt freilich nicht den realen, sondern einen nachgebauten Ort und passt somit sehr gut zum Motto der kürzlich eröffneten zweiten Triennale in der Schweinfurter Kunsthalle: anders:wo.
Fast ein Jahr lang war Kurator Hans-Peter Miksch auf der Suche nach Werken, die dieses Motto in irgendeiner Weise widerspiegeln, und sei es durch den Lebensweg der Künstler. Die müssen – das ist einzige Bedingung – aus Franken stammen, hier leben oder hier studiert haben. Von „fränkischer Kunst“ kann freilich keine Rede sein. Die Triennale hat den Anspruch, den derzeitigen Zustand der Kunst im deutschsprachigen Raum zu repräsentieren.
Keine Ruhmeshalle für Arrivierte
Ob dieser hohe Anspruch erfüllt wird, ist schwer zu beurteilen. Ausstellungen können immer nur einen Ausschnitt zeigen. Miksch war jedenfalls mutig genug, aus der Triennale keine Ruhmeshalle für die Arrivierten zu machen, sondern 21 meist junge und vielversprechende Künstler zu zeigen, viele aus dem Umfeld der Nürnberger Kunstakademie.
Die Ausstellung ist dicht und vielschichtig. Publikumslieblinge sind schon jetzt die Installationen, die sehr witzig sind und voller Anspielungen auf die Kunstgeschichte. Der 35-jährige Sebastian Kuhn beispielsweise zerlegt Autos, Konzertflügel oder Betten und setzt sie neu zusammen. Seine Arbeit „Between Dreams“ ist Skulptur und Installation und greift gleichzeitig Motive aus der kubistischen Malerei auf.
Die Fotografie ist mit starken Arbeiten vertreten, die über das reine Abbilden hinausgehen. Beispiel Oliver Boberg. Der in Schweinfurt aufgewachsene Künstler, der in Fürth lebt, baut Modelle von Orten, die es so nicht gibt, und fotografiert sie auf eine Weise, dass sie täuschend real wirken – wie die alte Mauer. Auch die Würzburger Künstlerin Verena Rempel spielt mit unserer Wahrnehmung. Auf die Entfernung sieht der Betrachter Fotografien betörend schöner Giftpflanzen. Beim Näherkommen entdeckt er, dass jedes Bild aus Tausenden kleiner Porträts zusammengesetzt ist. Es sind Porträts von Massenmördern.
Zeitgenössische Kunst ist ohne Video nicht denkbar. Christoph Brech, ein gebürtiger Schweinfurter, der in München lebt, setzt der rasanten Geschwindigkeit und den extrem schnellen Schnitten heutiger Filme seine entschleunigten Bilder von rätselhaften Sehnsuchtsorten entgegen. Still bewegen sich Passanten, sanft schwingt eine Papierlaterne im Wind, majestätisch langsam ziehen goldene Schwäne über schwarzen Grund. Natürlich gibt es auch solide Malerei, die von der uralten Sehnsucht der Künstler nach einem psychischen, physischen oder geistigen Anderswo erzählen. Roland Schütz (Würzburg) zeigt einen einsamen Mann inmitten einer gleißend hellen utopischen Landschaft. Eine Erinnerung, ein Traum?
Es war eine richtige Entscheidung, diese zweite Triennale einem Kurator und nicht – wie 2009 – einer Jury zu überlassen. Hans-Peter Miksch ist eine spannende Ausstellung gelungen, die Überraschungen bereithält, die fordert, stellenweise irritiert und die vor allem viel Spaß macht.
Die zweite Triennale für zeitgenössische Kunst in der Kunsthalle Schweinfurt, Rüfferstraße 4, ist bis 23. September zu sehen. Den Träger des Hauptpreises (Ausstellung samt Katalog) vergibt am Ende eine Fachjury, die Besucher entscheiden über den Publikumspreis. Geöffnet ist die Ausstellung Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Donnerstag 10 bis 21 Uhr. Kuratorenführungen am 2. August und 9. September, jeweils 19 Uhr.