„Pizza, wer will Pizza?“, ruft Ariane, bis sie kurz darauf den italienischen Hit „Azzuro“ anstimmt. Was auf den ersten Blick wie eine skurriles Italien-Musical anmutet, ist der Beginn der Komödie „Don Camillo und seine Herde“, das am Mittwochabend bei den Scherenburgfestspielen in Gemünden Premiere feierte.
Burgkulisse sorgt für italienisches Flair
Vor der eindrucksvollen Sandsteinkulisse der Burg wird das italienische Dorf des Kult-Pfarrers und seines Rivalen Peppone mit dem geschickt in die Umgebung eingebauten Bühnenbild von Christian Baumgärtel wieder lebendig. Doch die unbeschwerte Dolce-Vita-Stimmung kippt schlagartig, als sich die kommunistischen Anhänger von Bürgermeister Peppone und die braven Schäfchen Don Camillos zum Gottesdienst einfinden.
Der Pfarrer warnt seine Herde: Der „kommunistische Wolf“ geht um. Ein direkter Angriff gegen Peppone, dessen Wiederwahl Camillo mit aller Macht verhindern will.
Viele Handlungsstränge sorgen für Verwirrung
Sein Druckmittel: keine Absolution für Kommunisten, es sei denn Peppone betet 15 000 Vaterunser. Dem geht das dann doch zu weit, und er gibt vorerst Ruhe. Doch der nächste Konflikt wartet schon, und für den Zuschauer wird es kompliziert. Amerikanische Care-Pakete, eine brisante Liebesbeziehung, gefälschte Briefe aus Russland – und überall hat Don Camillo seine Finger im Spiel.
Dadurch zieht sich die Handlung und wird streckenweise unübersichtlich und wirr, denn es passiert einfach zu viel auf einmal. Gleiches gilt für das Ende, denn irgendwie müssen auch noch eine Geburt, eine Hochzeit, eine Taufe und Camillos Begnadigung untergebracht werden.
Jesu Stimme entzerrt die Szenen
Entlastung bringt da die Stimme von Jesus. Wie in den Filmen spricht sie langsam, warm und verständnisvoll aus dem Off mit Don Camillo. Das bringt Entschleunigung in die Szenen und entzerrt die Handlung.
Trotz holpriger Momente überzeugt das Stück dennoch dank seiner Komik. Stärkste Szene: ein Zeitlupenkampf zwischen Kommunisten und Katholiken. Die Schlägerei wirkt so skurril und überzogen, dass der Zuschauer einfach lachen muss und dabei vollkommen vergisst, dass hier ja Menschen einander Gewalt antun. Amüsant ist Uli Rübsamens Darstellung des schwerhörigen Tollpatschs Smilzo, der auf die Frage „Hast du das gehört?“ leider mit „Nein“ antworten muss – ein komisches Paradoxon.
Und auch die Ehekonflikte zwischen Peppone und seiner Frau Ariane sorgen für Lacher. „Heilige Mutter Gottes, lass ihn nicht noch den Verstand verlieren, er hat davon nur so wenig“, betet sie in einem unbeobachteten Moment.
Komplex gezeichnete Hauptrollen
Eine weitere Stärke ist, dass Regisseur Peter Cahn nicht versucht, die legendären Filme nachzustellen. Das gilt auch für die beiden Hauptfiguren. Andreas van den Berg, deutlich jünger als einst Fernandel, ist ein agiler Don Camillo, der Choleriker wie behutsamer Seelsorger sein kann. Carsten Ceming ist als Peppone durchaus nicht nur stalinistischer Grobmotoriker, sondern auch mal nachdenklich und verletzlich.
„Don Camillo und seine Herde“, bis 12. August bei den Scherenburgfestspielen. Karten und weitere Infos unter: www.scherenburgfestspiele.de