Wer Lena Försch nach dem Wesen des Improvisationstheaters fragt, der findet sich möglicherweise im nächsten Moment selbst in einer Improtheater-Szene wieder.
Regieanweisung: Tag; das Innere eines Cafés; Reporter trifft sich zum Interview mit der Leiterin des Internationalen Würzburger Improtheater-Festivals, Lena Försch.
Reporter: "Wie entsteht denn so eine Improtheater-Szene?"
Lena Försch: Nimmt den kleinen Deko-Blumentopf vom Cafétisch, hält ihn hoch und sagt mit plötzlich ganz verzauberter Stimme: "Du hast dran gedacht. Als einziger. Und mir Blumen mitgebracht. Tulpen, meine Lieblingsblumen."
Gar nicht so einfach, darauf jetzt nicht einzugehen. In irgendeine Rolle zu schlüpfen und zu schauen, wohin die Szene führen könnte. Genau so funktioniert Improtheater: Ein Spieler macht ein Angebot, der andere geht darauf ein. Schon entsteht eine Beziehung, eine Dynamik.
Das Internationale Würzburger Improtheater-Festival wird heuer trotz Corona von Mittwoch, 21., bis Samstag, 24. Oktober, stattfinden. Aus naheliegenden Gründen nicht so groß wie sonst, nicht so international, aber immerhin. "Wir lassen uns nicht unterkriegen", sagt Lena Försch. Es wird sieben Programme geben, drei finden in der Posthalle statt, die Eröffnungsgala "Maestro" (21. Oktober), der Songcontest "Würzburg, Deine Songs!" (23. Oktober) und das Special "Alles auf Anfang" (24. Oktober), bestritten vom gesamten Festival-Ensemble. An den kleineren Spielstätten Keller Z87, Theater Ensemble und Theater am Neunerplatz gibt es immer jeweils zwei Shows pro Abend.
Das Festival ist aus einer Veranstaltung des Jugendkulturhauses Café Cairo hervorgegangen, die erstmals 2002 stattfand. Seit 2014 ist es ein eingetragener Verein. Lena Försch ist seit 2009 dabei, seit zwei Jahren als angestellte Leiterin. Wie alle Kulturanbieter derzeit tüftelt sie an Abstands- und Hygieneregeln, Saalplänen und Sitzplatzzuweisungen. "Es ist ein munteres Listenpflegen", sagt sie. Das Team hat alle Beteiligten – Spieler, Dozenten und Teilnehmer der parallel stattfindenden Workshops – gebeten, mitzuteilen, mit welchen Regelungen sie sich am wohlsten fühlen.
Angesichts steigender Infektionszahlen und ständig neu ausgewiesener Risikogebiete bleiben dennoch viele Unklarheiten. "Aber wir sind schon durch einige Krisen gegangen. Wir sind ein erprobtes Team", sagt Lena Försch. Natürlich werde sich die Ausgabe 2020 nicht rechnen, aber der Verein habe Rücklagen und außerdem große Unterstützung durch die Stadt und die Treue einiger Sponsoren.
Beim Improtheater spricht man nicht von Stücken, sondern von Formaten, erklärt Lena Försch. Die 30-Jährige spielt selbst, seit sie 15 war, gibt Workshops, schaut sich Shows in aller Welt an. Ein Format ist eine festgeschriebene Konstellation. Bei "Maestro" etwa, entwickelt von Keith Johnstone, dem Begründer des modernen Improtheaters, gibt es einen Moderator, einen Regisseur und die Spieler. Der Regisseur gibt eine Szene vor. Etwa: Spieleabend. Plötzlich macht einer der Spieler den anderen ein Geständnis. Die Darsteller legen los, es entwickeln sich Konflikte, möglicherweise eine Handlung. Läuft es, hält sich der Regisseur raus. Läuft es nicht, kann er eingreifen. Etwa mit der Anweisung: "Darauf hast du eine starke emotionale Reaktion."
Wie beim Poetry Slam stimmt der Saal nach jeder Szene ab, wer weitermachen darf. Zum Schluss gibt es eine Siegerin, einen Sieger. Wobei der Sieg ein eher symbolischer ist: Es gibt gerade mal fünf Euro zu gewinnen. Aber die Abstimmung ist wichtig, um das Publikum emotional zu beteiligen: "Wir wollen, das es für die Zuschauer wirklich um was geht."
Am besten kommt übrigens in aller Regel an, wer andere gut aussehen lässt. Wer nicht mit überdimensionalem Ego alle an die Wand spielt. Denn dann entstehen schlicht keine guten Geschichten. Lena Försch formuliert es so: "Nach außen ist es ein Wettbewerb, aber nach innen leben wir Kooperation."
In San Francisco hat Lena Försch einmal eine Show gesehen, in der von vorne bis hinten alles schiefging: "Es sollte ein Krimi werden, aber die haben permanent die Namen vergessen, zum Schluss hatte jeder mehrere Identitäten, alles mündete in Sackgassen." Das Ganze sei dennoch ein Riesenspaß gewesen, weil eine Spielerin sich so ins Zeug warf, das Ding zu retten. Es wurde also ein Stück über ein Stück, das schiefging. Auf das ganze Genre angewendet, bedeutet das: "Die Show lebt davon, dass gescheitert wird."
Es gibt also kein Richtig und kein Falsch. Alles ist jedesmal anders, jedesmal neu. Und unwiederholbar. Das macht die Faszination aus. Es geht darum, den eigenen, natürlichen Impulsen zu vertrauen. "Analyse ist für den Probenraum", sagt Lena Försch. "Wer besonders witzig oder wortgewandt sein will, der verkrampft." Helden sind hier nicht gefragt. Gut wird es immer dann, wenn die Spieler loslassen, "ins Risiko gehen". Das kann Grenzen überschreiten. Etwa wenn ein Spieler plötzlich in die Rolle des Schurken gerät. "Dann muss man eben die Schurken-Anteile in sich aktivieren, um das glaubhaft darzustellen", sagt Lena Försch. "Das ist gar nicht so viel anders als beim klassischen Schauspiel."
Würzburger Improtheater-Festival 2020: Sieben Programme an vier Spielorten mit Gästen und Workshop-Teilnehmern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vom 21. bis 24. Oktober.
- Posthalle: Eröffnungsgala "Maestro", 21. Oktober, 20. 30 Uhr; Songcontest "Würzburg, Deine Songs!", 23. Oktober, 20. 30 Uhr; "Alles auf Anfang", 24. Oktober, 20 Uhr
- Keller Z87: "Gorilla", 22. Oktober, 20 und 22 Uhr
- Theater Ensemble: "Couples", 23. Oktober, 20 und 22 Uhr
- Theater am Neunerplatz: "Brabbel", 23. Oktober, 20 und 22 Uhr; "Dreamcatcher", 24. Oktober, 20 und 22 Uhr, Gruppe "Der Fuchs" aus Frankfurt
Alle Informationen zu Shows und Vorverkauf gibt es unter www.improtheaterfestival.de