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Sabine Meyer in Würzburg und Bad Kissingen: Die First Lady der Klarinette
Sabine Meyer: Die weltweit gefragte Instrumentalistin über Süßes, das Zusammenspiel mit ihrem Mann und Arien von Mozart. Am 5. Mai gastiert die gebürtige Crailsheimerin in Würzburg, am 13. Juli in Bad Kissingen.
Sabine Meyer: „Es ist doch toll, mit meinem Bruder und meinem Mann zu spielen.“
Foto: Christian Ruvolo | Sabine Meyer: „Es ist doch toll, mit meinem Bruder und meinem Mann zu spielen.“
reda
 |  aktualisiert: 28.04.2014 15:35 Uhr

Der Kaffeetisch ist gedeckt, süße Teilchen verführen zum Zugreifen, im Glas dampft frisch gebrühter grüner Tee – „den bringen mir immer meine chinesischen und japanischen Studenten mit“, erzählt Sabine Meyer, die am 5. Mai mit ihrem Trio di Clarone in Würzburg und am 13. Juli als Solistin beim Kissinger Sommer gastiert. Interviews mit der First Lady der Klarinette in ihrem wunderschönen alten Ziegelhaus in der Lübecker Altstadt bilden stets eine kleine Wohlfühl-Oase im journalistischen Alltag. Zumal wenn sich Reiner Wehle hinzugesellt, der mit seiner Frau nicht nur das Instrument teilt und gemeinsam mit ihrem Bruder das Trio di Clarone bildet sowie ihr Bläserensemble aufgebaut hat, sondern wie sie auch als Professor an der Lübecker Musikhochschule unterrichtet.

Frage: In Ihrer Biografie ist zu lesen, Sie liebten amerikanisches Schokoladeneis, Sie leben in der Stadt des Marzipans – haben Sie eine Vorliebe für süße Sachen?

Sabine Meyer: Marzipan ist eigentlich die einzige Süßigkeit, die ich nicht so gern mag (lacht). Doch gerade so nach dem Mittagessen esse ich schon gern eine süße Kleinigkeit – a propos: Ich habe da noch etwas Süßes . . .

(Sabine Meyer springt auf, eilt in die Küche und kehrt mit einer Platte dunkler Pralinen zurück.) Voila! Die Pralinen habe ich selbst gemacht – eigentlich gehören da Macadamia-Nüsse rein, aber die gab es natürlich in unserem Supermarkt in Lübeck nicht, und so habe ich das Rezept dann ein wenig verändert. Sie dürfen gern probieren und den Vorkoster geben, denn wir bekommen später noch Besuch . . . na, nicht so doll?

Doch, sehr lecker – was mich zu der Frage bringt: In der Musik pflegen Sie ja keine Vorliebe für Süßes, das der Zuhörer entspannt genießen kann, wie Ihre mehr als 40 Uraufführungen zeigen . . .

Meyer: . . . oh, da wissen Sie mehr als ich – mehr als 40 Uraufführungen?

Reiner Wehle: Ja, das stimmt schon . . .

Meyer: . . . meine Güte – Sie können ruhig öfters kommen: Was ich hier noch so alles von mir erfahre (lacht).

Wie viele von diesen 40 Uraufführungen sind denn in Ihr Repertoire eingegangen?

Meyer: Natürlich versuche ich, diese Werke öfter zu spielen und auch bei den Veranstaltern anzubringen, aber die wollen dann eben doch immer wieder die Konzerte von Mozart und Weber, vielleicht auch einmal von Nielsen oder Copland haben. Es ist einfach schwer zu sagen: Ich möchte gerne Hosokawa spielen – da kann ich mich noch so sehr bemühen, es wird nicht klappen.

Wehle: Bei Ihrem Bläserensemble ist das hingegen kein Problem.

Meyer: Das war ja auch im Grunde unsere Idee, dass wir dort immer ein modernes Stück ins Abendprogramm einbetten – und da wird das Publikum dann hinterher immer mit einem Mozart oder Beethoven getröstet.

Wehle: Von den gut 40 Uraufführungen sind in etwa zehn ins Repertoire eingegangen – und die Werke von Denissow, Hosokawa und Castiglioni für das Bläserensemble sind auch in renommierten Verlagen verlegt und werden von anderen Musikern gespielt.

Eine Quote, die bedeutet, dass Sie drei von vier Stücken gerade mal für ein oder zwei Aufführungen erarbeitet haben – aber das scheint Sie nicht davon abzuhalten, sich immer wieder neuen zeitgenössischen Werken zu widmen?

Meyer: Nein. Aktuell etwa schreibt Márton Illés ein Quartett für mich für das Lausanne-Festival im kommenden Jahr. Er hat mich jüngst besucht, um sich sämtliche Griffe zeigen zu lassen und die Möglichkeiten der Klarinette wirklich vollständig ausschöpfen zu können und zu erfahren, was auf dem Instrument möglich ist und was nicht.

Ist das denn wirklich notwendig für eine Komposition?

Meyer: Man merkt als Instrumentalist einfach, wie ein Komponist mit der Klarinette umgeht und welche Vorstellungen er hat. Oder ob es ein wirkliches Klarinettenkonzert ist: Bei manchem neuen Werk habe ich gedacht, das könnte genauso gut für Flöte geschrieben sein oder für Fagott – das hatte nichts mit meinem Instrument zu tun.

Dann also doch wieder lieber Mozart – aber mögen Sie dieses Konzert nach vier Jahrzehnten wirklich noch spielen?

Meyer (lacht): Ich finde nicht, dass es leichter wird, denn je öfter man die Werke spielt, desto höher werden auch die Ansprüche. Am Mozart-Konzert kann man immer arbeiten, zumal das ja gerade auf der Bassettklarinette noch wieder ein ganz anderes Thema ist: Das bleibt einfach immer aufregend und spannend! Jedes Mal denke ich wieder: Oh Gott, ich spiele es doch wirklich nicht zum ersten Mal – aber es kommt mir so vor, weil einfach die Anforderungen des Instrumentes an dich so immens sind.

Nun sind Sie ja nicht nur als Solistin zu erleben, sondern haben stets auch das Spiel im Bläserensemble, im Trio di Clarone oder auch noch in anderen Formationen gepflegt. Worin liegt für Sie der Reiz der Kammermusik gegenüber dem Solistentum?

Meyer: Es ist doch toll, mit meinem Bruder und meinem Mann zu spielen (lacht) – das ist doch etwas ganz anderes, als wenn ich ein Solokonzert spielen muss. Und mit solch fantastischen Musikern wie etwa Gidon Kremer ist einfach jeder Abend ein Abenteuer, musikalisch wie auch von der Spannung durch diese unglaubliche Persönlichkeit.

In die Rubrik spannende Abenteuer fällt auch Ihr jüngstes Album mit Konzertarien Mozarts. Lässt sich auf der Klarinette so schön singen wie mit der menschlichen Stimme?

Meyer: Ich hoffe nicht, dass Sie die Sängerin vermissen (lacht). Ich glaube schon, dass die Möglichkeiten des Instruments der Stimme sehr nahe kommen, weil die Klarinette einfach auch in der Höhe sehr weich sein kann und die Tiefe mühelos anspricht – anders als etwa auf der Oboe ist es schon ein sehr großes Spektrum, das uns dies Instrument bietet.

Wehle: Natürlich kannst du das monieren – andererseits erreichst du mit der menschlichen Stimme auch manches nicht, das sich mit dem Instrument realisieren lässt. Und schon Einstein hat über diese Konzertarien geschrieben, das seien eigentlich Instrumentalkonzerte . . .

Meyer: . . . weil die so abartig schwer sind, dass sie kaum einer spielen kann . . .

Wehle: . . . und das war ja auch unsere Überlegung: Diese Arien sind teilweise fast unsingbar und werden heute kaum noch aufgeführt, weil man sich im Prinzip damit nur blamieren kann – wer die singen will, muss schon sehr gute Nerven haben.

Was ja aber zweifellos auch für die Klarinette gilt, oder?

Wehle: Teilweise liegen sie auf der Klarinette besser als für die Stimme. Natürlich eignen sich viele auch nicht, doch haben wir die ausgewählt, die schon fast instrumental gedacht sind – wirklich großartige Musik und wahnsinnig schade, dass die so selten aufgeführt wird. Einige der Arien waren noch nicht einmal instrumentiert.

Und das haben Sie alles in die Hand genommen?

Wehle: Die Grundidee habe ich schon seit Jahren gehabt, habe mir dann immer wieder die Gesamtausgabe geholt und ein bisschen sortiert. Und dann habe ich eine Auswahl getroffen und den Arrangeur Andreas Tarkmann geholt, der auch noch einiges verändert hat in der Solostimme und im Orchester.

Pflegen Sie solch eine Arbeitsteilung auch im Alltag?

Wehle: Ich bin schon der Ideengeber und mache auch die meisten Programme fürs Bläserensemble und fürs Trio oder für unsere Lübecker Klarinettennacht . . .

Meyer: . . . und wirkst auch sonst als Organisator.

Und Sie ordnen sich dann gern unter, Frau Meyer?

Wehle: Sie ordnet sich nicht unter, sie muss Feuer fangen (lacht). Wenn sie nicht Feuer fängt, taugt das ja alles nichts.

Meyer: Er organisiert schon alles, strukturiert das Leben und die Reisen.

Ohne Ihren Mann wäre das Leben also nur halb so angenehm?

Wehle: Sie würde das auch alleine können.

Meyer: Aber es ist einfach schön, all das zu zweit zu besprechen und nicht nur die Trio-Programme gemeinsam zu machen, sondern auch sonst viel zusammen zu reisen.

Sabine Meyer

Geboren am 30. März 1959 in Crailsheim, gehört Sabine Meyer heute weltweit zu den renommiertesten Instrumentalsolisten. Sie war 1983 eine der ersten Frauen bei den Berliner Philharmonikern, gab die Stelle als Soloklarinettistin dort aber auf, weil es ihretwegen Streitigkeiten zwischen Orchester und dem Dirigenten Herbert von Karajan gab und sie zunehmend anderweitig als Solistin gefragt war. Seit 1993 hat sie eine Professur an der Musikhochschule Lübeck. Sabine Meyer ist mit dem Klarinettisten Reiner Wehle verheiratet und hat zwei Kinder. Wehle war u. a. Solist der Münchner Philharmoniker, des Deutschen Symphonieorchesters Berlin und der Radio-Philharmonie des NDR. 2013 erhielt Sabine Meyer das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Ihr Bruder Wolfgang ist ebenfalls Klarinettist.

In der Würzburger Musikhochschule tritt sie am 5. Mai, 19.30 Uhr, mit ihrem Trio di Clarone auf. Karten: Tel. (09 31) 60 01-60 00. Beim Kissinger Sommer spielt sie im Rahmen des Abschlusskonzerts am 13. Juli. Karten: Tel. (09 71) 807-11 10.

Reiner Wehle
Foto: MH Lübeck | Reiner Wehle
 
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