Eine eigene Platte haben und gleich Star sein? „Um Himmels willen. Nein! Da hast du noch gar nichts.“ Der Mann hinter dem Aufschrei heißt Micky Wehner und ist selbst Musiker. Als Inhaber eines Tonstudios kennt er zudem die andere Seite des Geschäfts – und „die ist eine unbequeme“. Der Weg von der ersten Probe zur CD-Premiere ist kurz, verglichen mit dem zu guten Verkaufszahlen. „Es gibt viel mehr Bands heute, hundertmal mehr als in den 80ern“, sagt Wehner, der in dieser Zeit selbst mit der Schweinfurter Heavy-Metal-Band Vendetta Erfolg hatte.
Sie sind alle alte Hasen, die Jungs von Brain Damage, einer Band, die sich, ungeachtet des aktuellen Revivals des Originals, als so etwas wie Vendettas Erben sieht – und ihren Namen auch einem Vendetta-Hit verdankt. Micky Wehner spielt Gitarre, das Singen hat er längst einem anderen überlassen.
Vorbereitung ist gefragt
Der 52-Jährige hat seit 2006 ein kleines Tonstudio, zunächst im Dach des Sportheims des SV Morlesau, inzwischen im heimischen Dachboden. Zu Morlesauer Zeiten trug es den Namen IG-Rock-Studio und hatte sich die Nachwuchsförderung auf die Fahnen geschrieben. Doch die Nachfrage war überschaubar, obwohl Wehner neben Metal-Bands auch Akustik-, Hip-Hop- oder Punk-Projekte annahm: „Verdient habe ich nichts, ich sehe mich als Idealist.“ Rund 10 000 Euro stecken aber im Equipment.
Für Amateurbands am Anfang ihrer Laufbahn eine gute Adresse. Doch Wehner ist überrascht, wie unbeleckt die eine oder andere vorstellig wird. „Als Band solltest du vor dem Gang ins Studio vorbereitet sein, es kommen aber viele unvorbereitet“, erzählt er. „Du brauchst ein Produkt, aber bloß nicht denken: Ich habe ein Demo, jetzt liegt mir die Welt zu Füßen. Es ist schwer, einen Deal zu bekommen, der auch etwas taugt.“
Der Traum von Wacken
Eine CD sei schließlich nur die Grundlage, danach ist die Band gefragt: Video, Instagram, Facebook – mitunter besser als ein Label, das einen aussaugt. Wehner erinnert sich an einen Anruf aus Spanien von einer Plattenfirma: „Die haben Brain Damage 200 CDs zum Selbstverkauf angeboten, dafür 2500 Euro verlangt, mehr als die Tantiemen wären nicht geflossen. Du bist als Künstler ein Stück weit der Depp.“
Brain Damage haben 2017 ihre zweite Scheibe herausgebracht, als Öffner für den zweiten Karriere-Anlauf. Die erste von 2014, im Sinne der gestorbenen Motörhead-Legende Lemmy „Born to loose, live to win“ getitelt, war ohne den ganz großen Widerhall geblieben. Brain Damage ist immer noch eine Underground-Band, die vor 80 bis 100 Fans spielt. 2009 offiziell gegründet, gab sie ihr erstes Lebenszeichen 2013 auf der Metal-„Kreuzfahrt“ Metal Meeniac.
Festivals sind das Ziel
Größere Engagements blieben aus. Mal eine (und sei es eine kleine) Bühne auf einem großen Festival wie dem Summerbreeze oder dem Wacken Open Air zu bespielen ist das Ziel. Bisher war der größte Gig das von 1000 Fans besuchte Metal Franconia Festival in Dettelbach. Da hat Wehner auch den aktuellen Sänger Flo Negwer kennengelernt. Weitere Mitstreiter sind Roland Schäfer am Bass, Matthias Krapp am Schlagzeug, und Ingo Förster an der zweiten Gitarre.
Ein Mitglied mit eigenem Studio zu haben, ist für die Schweinfurter kein Nachteil. Für Kollegen in der gleichen Liga kann so ein Silberling kostspielig werden: Wehner rechnet bei der Produktion mit acht Stunden pro Song, die Stunde kostet 15 Euro. 500 bis 1000 Euro macht das durchschnittlich fürs fertig abgemischte Material. CD-Pressungen gehen bei 300 Euro los, in der simplen Karton-Stecktasche bei 350 Euro, im „Jewel Case“ inklusive vierseitigem Booklet bei 600 Euro und mit einem stattlichen Zwölfseiter bei 1000 Euro.
Am besten simpel
Man könne als Band natürlich „auch auf dicke Hose machen“: In ein großes Studio gehen, fette Produktion plus tolles Cover-Artwork einkaufen, vielleicht noch eine groß angelegte Facebook-Kampagne. Solche Studios nehmen rund 500 Euro am Tag – 14 Tage sind mindestens nötig. Inklusive Übernachtung und Verpflegung hören 7000 bis 10 000 Euro den Schlag nicht.
Wehner erinnert sich: „Mit Vendetta waren wir mal für 30 000 Mark einen Monat in Berlin.“ Aufmerksamkeit ist dann für gewöhnlich verbunden mit Rezensionen in den bedeutenden Szene-Magazinen. Und spätestens da zeigt sich, ob das gehypte Produkt auch taugt.
Brain Damage geben für Marketing keinen Euro aus, „das kannst du machen bei fünf mal 3000 Euro Verdienst, aber nicht bei Familienvätern, deren Geld gerade so zum Leben recht“, so der gelernte Mediengestalter und Gas-Wasser-Installateur – und derzeitige Hausmann. Wehner rät Nachwuchsbands von Pomp ab. Progressive Songstrukturen seien etwas für Musiker, die erste Erfolge bereits in der Tasche hätten. Sein Rezept für den Anfang: Intro – Strophe – Refrain – Strophe – Refrain – Solo – Refrain – Schluss. Simpel und eingängig.
Glück braucht's auch
Wie nahe Erfolg und Scheitern beieinander liegen können, und wie sehr Fortuna ihre Finger im Spiel hat, durfte Wehner in den 80ern mit Vendetta erfahren. Auf das eingereichte Demo folgte eine formale, unpersönliche Absage. Vermutlich hatten die Scouts der Plattenfirma eines bekannten Labels noch nicht einmal das Material abgehört. Eine Woche später gab's dennoch den Vertrag, nachdem die Songs über ein paar Umwege und Bekannte doch noch an die richtige Stelle gelangt waren. Später tummelten sich Vendetta nach Kreator, Tankard, Sodom und Destruction in der zweiten Reihe des deutschen Thrash-Metals.
„Mit Brain Damage würden wir aber auch mit Glück keinen Major Deal mehr bekommen“, ist Wehner Realist. „Wir sind zu alt und würden uns nicht mehr formen lassen.“ So wird es wohl 2018, spätestens 2019 die nächste CD geben – abseits aller Starallüren und des Traums vom Ruhm.