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NÜRNBERG
Rock im Park: Rammstein liefern zuverlässig wie immer
Die Pyrotechnik kommt noch: Rammstein auf der Hauptbühne von Rock im Park.
Foto: Fabian Gebert | Die Pyrotechnik kommt noch: Rammstein auf der Hauptbühne von Rock im Park.
Michi Bauer
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:47 Uhr

Wo Rammstein spielen wird's laut, heiß und voll. Die Berliner Brachial-Rocker hauen bei ihren Auftritten schon mal 80 Kilo Lycopodium raus. Bärlappsporen. Sauteuer ist diese Pyrotechnik, doch für die sind Rammstein berühmt, die sind sie ihren Fans schuldig. Die drängeln sich dicht an dicht am letzten Festival-Tag: 88 500 sind zum Rock im Park gekommen – restlos ausverkauft. Rammstein sind der Höhepunkt in Nürnberg und werden auf dem Zeppelinfeld ihrem Ruf gerecht: Der spektakulärste deutsche Show-Act.

Hitze, Gewitter, Starkregen – aber auch jede Menge erstklassige Bands

Natürlich ist alles dabei, wenn der Park ruft: Hitze, Gewitter, Starkregen – aber auch jede Menge erstklassige Bands und nicht weniger Geheimtipps. Rock im Park – da werden die Genres gemixt wie kaum anderswo. Discobeats, Rap, Pop, Elektro, Punk, Rock und Heavy Metal, von allem ein bisschen, immer nah am Mainstream, selten im Grenzbereich. Das wollen die Fans, das bekommen sie. Auch wenn sie diesmal, zumindest gefühlt, einen Zacken mehr Hip-Hop bekommen. „RIP, das könnte auch für Rap im Park stehen“, frotzelt einer.

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Dass die Musik für einen kurzen Moment an diesem Freitag nur noch die zweite Geige spielen soll, weiß zu diesem Zeitpunkt noch keiner. Ein paar Stündchen später erreicht auch die Park-Rocker die Terrorangst – wenngleich, Gott sei Dank, nur am Rande. Via Durchsagen. Beim Zwillingsfestival Rock am Ring in der Eifel sind die Ordnungskräfte gerade damit beschäftigt, 90 000 überwiegend verständnisvolle Fans vom Konzertgelände zu eskortieren. Es sickert durch: akute Gefährdungslage mit terroristischem Hintergrund.

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Campino reckt den Mittelfinger gegen den Terror

Bei Rock im Park tritt derweil zwischen den Auftritten der Beatsteaks und der Toten Hosen ein Mitarbeiter ans Mikrofon: Für Nürnberg bestehe keine Gefahr. Hosen-Sänger Campino nimmt den Ball auf: „Zeigen wir denen, die uns irritieren wollen, den Mittelfinger. Diese Wichser haben erst ihr Ziel erreicht, wenn wir aufhören, zusammen Spaß zu haben.“

Was die Toten Hosen danach zwei Stunden lang abliefern, gehört zu ihren engagiertesten Auftritten der letzten Jahre. Überhaupt ist der Freitag ein gelungener Auftakt: Donots und Sum 41 bedienen die Punk-Fraktion, Straßenbande 187 und Beginner die Hip-Hopper, Suicide Silence und Sleeping with Sirens die Metaller.

Blick über einen Teil des Festivalgeländes mit der Hauptbühne.
Foto: Fabian Gebert | Blick über einen Teil des Festivalgeländes mit der Hauptbühne.

Ein junger Kerl aus Tauberfranken wird sich länger an Campino und seine Jungs erinnern. Fabian will sich in der Nacht auf Freitag gerade nach dem erfolgreichen Kampf mit seinem Zelt ein Gute-Nacht-Bierchen in der Bar eines benachbarten Hotels gönnen, als die Punk-Legenden ums Eck kommen. Fabian muss ziemlich geschafft aussehen, denn Campino klopft ihm auf die Schulter und sagt: „Komm Junge, trink ein Bier mit uns, das hast du dir verdient.“

Verletzte durch Trockeneis und Gaskartusche

Einige Fans machen ganz andere Erfahrungen. Drei hantieren auf dem Campingplatz mit Trockeneis, um Getränke zu kühlen, und landen mit Verätzungen im Spital. Schlimmer noch erwischt's einen Musikfreund, der nach unsachgemäßem Umgang mit einer Gaskartusche mit schweren Verbrennungen in eine Spezialklinik eingeliefert wird.

Das Gros der Fans reagiert gelassen auf das Verbot von Rucksäcken und großen Taschen. Drinnen gibt es ausreichend kostenlose Leitungswasserstellen sowie Stände, an denen für einen Euro ein halber Liter Mineralwasser verkauft wird. Durst steht dem Spaß also nicht im Weg.

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Die Kombi der Supergroups

Reichlich davon haben am Nachmittag die australischen Hardrocker Airbourne, Sänger und Gitarrist Joel O'Keefe turnt wie besessen durchs Publikum und spritzt mit Büchsenbier um sich. Da wartet der Regen doch gerne das Konzertende ab, ehe er sich danach umso stärker aufs Zeppelinfeld ergießt. Vom Nass, das mittags schon mal für eine kurze Abkühlung gesorgt hat, verschont bleiben die Haupt-Acts auf der großen Bühne: Prophets of Rage nutzen's zu höllisch heißem Rock-Rap – die Supergroup-Kombi aus Rage against the Machine, Public Enemy und Cypress Hill haut mächtig auf den Putz.

Harte Riffs und armenische Folklore

Da will selbst System-of-a-Down-Sänger Serj Tankian mal mit ans Mikro – obwohl er anschließend noch 120 Headliner-Minuten mit seiner eigenen Kapelle vor sich hat. Die füllen die kalifornischen Alternative-Metaller mit ihrer ureigenen Mixtur aus harten Riffs, einfühlsamen Melodien und der bisweilen hektischen Gesangskunst Tankians – hie und da mit einem Schuss armenischer Folklore.

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Die Wetter-Überraschung am Sonntag: Starkregen in der Nacht, Dauer-Niesel am Vormittag – dann plötzlich Sonne und steigende Temperaturen zum Abend hin. Donnerwetter! Da lächelt dann auch der chronische Miesepeter und Ex-Oasis-Rüpel Liam Gallagher, darf Rag'n'Bone Man Rory Graham zeigen, dass er mehr als nur eine Eintagsfliege ist, ballern die elegant vom Death Metal zum massenkonformeren Modern Metal konvertierten Schweden In Flames ein beeindruckendes Set raus.

Das Wetter war, wie alle Jahre, auch heuer wieder ein Thema – die Fans nahmen's mit Humor.
Foto: Fabian Gebert | Das Wetter war, wie alle Jahre, auch heuer wieder ein Thema – die Fans nahmen's mit Humor.


Die Düsseldorfer Ex-Oi- und jetzt Punk-Rocker Broilers dürfen den Teppich auf der Zeppelin Stage ausrollen für Rammstein, die britische Indie-Formation Bastille muss jene Fans bedienen, die mit der NDH-Legende nichts anfangen können oder nicht mehr aufs aus allen Nähten platzende Hauptfeld gepasst haben. Beide erledigen ihren Job mit maximalem Engagement.

Magenwummern bis ganz hinten

Maximale Professionalität indes gibt's von Rammstein. Dafür stehen Till Lindemann und Co. Das ist weit mehr als stumpfer Neue-Deutsche-Härte-Sound. Das ist auch Poesie. Und vor allem Show. Da zündet sich Lindemann in seinem Asbestmantel auch mal beinahe selbst an, stapft später bei „Engel“ aber putzmunter mit einem 50-Kilo-Flügel-Konstrukt die Treppe hoch. Höhepunkt: „Ich tu dir weh“ – da fliegen die Pyrogeschosse sogar über die Köpfe des Publikums hinweg. Da sitzt jeder Ton, und der Sound ist so druckvoll, dass es auch den letzten Reihen im Magen wummert. Es wäre ein grandioses Finale, wenn nicht noch ein weiterer Deutscher seinen Punkt setzen würde: Der Rostocker Rapper Marteria liebt ebenfalls die Selbstinszenierung, nimmt seine Fans aber auch gerne mit auf die Reise. In Nürnberg schon das zweite Mal an diesem Tag – denn am Nachmittag hat Marteria bereits seinen freitags ausgefallenen Ring-Gig nachgeholt.

Und dann sind die drei Tage Rock im Park auch schon wieder vorbei. Die Festival-Karawane zieht weiter, es ist ja erst der Anfang der Saison. Auf dem Campingplatz bleiben neben tonnenweise Müll auch wunderbare Fundstücke wie die Reste skurriler Verkleidungen zurück. Der Schreckmoment vom Freitag hat seine Wirkung längst verloren.

 
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