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HAMBURG
Robert Harris beendet Cicero-Trilogie: Moderne Politik in ihrer Urform
dpa
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:00 Uhr

Am Ende war der brillanteste Redner im antiken Rom nurmehr Spielball mächtigen Feldherrn. Bis dahin galt Marcus Tullius Cicero selbst als einer der heimlichen Strippenzieher und begnadetsten Politiker, doch in den Turbulenzen nach der Ermordung Caesars im Jahr 44 vor Christus verfing auch er sich im Intrigengeflecht der untergehenden Republik. „Eines der verworrensten Kapitel der römischen Geschichte“, nannte Cicero-Biograf Manfred Fuhrmann diese Zeit.

Jenes Kapitel schlägt nun Robert Harris in „Dictator“ auf. Zwölf Jahre hat der Brite an seiner Roman-Trilogie über Cicero gearbeitet. Wie in „Imperium“ und „Titan“ lässt er auch im letzten Band den großen Redner und Politiker durch die Augen seines Sekretärs und Sklaven, des Ich-Erzählers Tiro, erscheinen. In seinen Cicero-Romanen ist Harris ein politischer Autor. Der 58-Jährige war Korrespondent bei der BBC, der „London Sunday Times“ und des „Daily Telegraph“. Sein Hitler-Bestseller „Vaterland“ von 1992 sei „das Ende des gewöhnlichen Lebens“ gewesen, hat Harris einmal gescherzt. Seither hat er viele Millionen Bücher verkauft.

In der Figur Ciceros hat der Brite eine riesige Spielwiese gefunden. Zwar ist er einer derjenigen, über die die meisten Zeugnisse aus dem Altertum existieren – aus eigener oder fremder Hand, von Zeitgenossen oder späteren Autoren.

Aber dennoch gibt es auch im Leben des Redners eine Vielzahl von Lücken, die Harris erzählerisch zu füllen vermag. „Cicero gehört zu den wenigen“, heißt es bei Altphilologe Fuhrmann, „die jeder Beschreibung seines Lebens viel Freiheit geben und sie zugleich der Gefahr der Willkür aussetzen.“ Auf diesem schmalen Grat balanciert Harris in seinen Romanen. Während er in „Imperium“ den Aufstieg des Anwalts in die politische Spitze der Römischen Republik nachgezeichnet, beginnt Nachfolger „Titan“ mit dem Konsulat, dem höchsten politischen Amt im republikanischen Rom. Der dritte Band setzt nun mit Ciceros zeitweisem Exil in Griechenland ein – eine Folge der Überwerfung mit Caesar. Es geht um seine letzten 14 Jahre, in denen der Politiker immer unbedeutender wird und die meisten seiner philosophischen Schriften verfasst.

Aufregende Einzelheiten

„Selbst wenn man im Großen und Ganzen Bescheid weiß“, hat Harris einmal über Ciceros Leben gesagt, „sind die Einzelheiten doch aufregend.“ Man sollte „Dictator“ daher am besten politisch lesen, die Taktik der Staatskunst, dieses Spiel auf Leben und Tod. Wo hören Prinzipien auf, wo beginnen Kompromisse? „Im antiken Rom lässt sich die moderne Politik in ihrer Urform beobachten“, so Harris. Und gerade in diese feinen Spielereien aus Versprechen und Brüchen, aus Hinterlisten und Komplotten setzt er seine Handschrift.

Harris meinte einmal, in den Nebeln der Vergangenheit werde „das Spiegelbild der Gegenwart sichtbar“. Dass selbst ein integrer Anwalt wie Cicero bei seiner politischen Arbeit kompromittiert wird, zeigt: Wie moralisch gut man sich auch gibt, ein Versagen ist vorprogrammiert. Für Harris liegt das daran, dass politische Führer selten von selbst den richtigen Moment erkennen, der Politik den Rücken zu kehren.

Wie etwa beim Höhepunkt des Romans: der Ermordung Caesars. „Die Grundlagen der Politik haben sich“, so Harris, „über die vergangenen zwei Jahrtausende kaum geändert.“ Er meint damit das Streben nach Macht, deren Missbrauch und allzu oft auch der Untergang eines politischen Führers. Es ist beeindruckend, wie sich Harris sprachlich an den klaren Stil des antiken Redners anlehnt: schörkellos, pur, deutlich. Sein Tiro ist der gespiegelte Cicero.

Robert Harris: Dictator (Heyne, 528 Seiten, 22,99 Euro)

 
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