Silbergraue, leicht lockige Mähne, viele nette Falten, ein freundlicher Blick aus schmalen Augen – Robert De Niro ist seit Jahrzehnten einer der ganz, ganz Großen in Hollywood. Am Samstag, 17. August, wird er 70 Jahre alt. Und was das Alter angeht, hat er eine klare Vorstellung: „Gut, möglicherweise sitze ich mal ruhig da, trinke einen Kaffee. Aber ich trete doch nicht in den Ruhestand. Warum soll ich aufhören zu arbeiten, wenn es mir Spaß macht“, sagte er 2011 dem Magazin „Esquire“.
De Niros mimisches Talent ist legendär: ein Zucken hier, ein Grinsen da, für jede Rolle ein neuer Tic. Er hat in mehr als 100 Filmen mitgespielt. Und unzählige hat er durch seine intensive Darstellung geprägt, ob „Der Pate II“ (1974), für den er den Oscar als bester Nebendarsteller erhielt, „Der letzte Tycoon“ (1976), „Die durch die Hölle gehen“ (1978), „Es war einmal in Amerika“ (1982/84), „Angel Heart“ (1986) oder „Wie ein wilder Stier“ (1979), für den er mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde.
Robert Anthony de Niro jr. kommt 1943 in New York zur Welt, wächst in Greenwich Village auf. Der Vater ist Künstler, die Mutter schreibt, der Sohn will Schauspieler werden. Dafür verlässt er die Schule und nimmt Unterricht bei der einflussreichen Schauspiellehrerin und Schauspielerin Stella Adler.
Zwischen misstrauisch und maliziös
Er tingelt durch Provinztheater und steht 1965 erstmals vor der Kamera: In Roger Cormans Gangsterdrama „Bloody Mama“ (1970) beeindruckt De Niro als drogensüchtiger Sohn der Bandenchefin Ma Barker. 1973 spielt er in dem Großstadtdrama „Hexenkessel“ an der Seite seines Freundes Harvey Keitel. Regie führt Martin Scorsese, der mit De Niro weitere sieben Filme drehen wird.
De Niro sei kein Schauspieler, sondern ein Chamäleon, meinte der italienische Regisseur Sergio Leone einmal. Ein Schauspieler, der sich gleichsam instinktiv der jeweiligen Rolle anverwandelt, förmlich in die Figur hineinkriecht. Wie in den durchgeknallten Vietnam-Veteran Travis Bickle in „Taxi Driver“ (1975) oder den psychopathischen Quälgeist Max Cady in „Kap der Angst“ (1991). „Als Schauspieler kann ich ein ganz anderer sein, ohne einen großen Preis für dieses andere Leben zu zahlen“, sagte De Niro einmal. Der Mann mit den steilen Stirnfalten und einem Lächeln, das zwischen misstrauisch und maliziös changiert, bereitet sich auf jede Rolle akribisch vor.
So übt er 1977 für „New York, New York“ Saxofon, bis er das Instrument beherrscht. Um das tragische Scheitern des Boxers Jake LaMotta in Scorseses „Wie ein wilder Stier“ überzeugend zu vermitteln, lernt er professionell boxen und futtert sich 30 Kilo Übergewicht an. In dem Mafia-Film „The Untouchables“ (1987) tritt er in der Rolle des Mafia-Bosses Al Capone mit Halbglatze und so massig wie dieser vor die Kamera. Da ist De Niro fast nur an dem Muttermal auf der Wange zu erkennen. Viele Jahre hat er ein Faible für unangepasste, schwierige Charaktere. Häufig spielt er Neurotiker und Gescheiterte, Gangster, Mafiosi, Cops und Soldaten, Macho-Typen.
Unverwechselbar ist seine Stimme, rau, brüchig mit sarkastischem Unterton, die Christian Brückner seit „Der Pate II“ perfekt synchronisiert. Seit 1993 führt De Niro auch Regie, etwa bei „In den Straßen der Bronx“ mit ihm selbst in der Hauptrolle als Busfahrer, der seinen Sohn vor dem Abrutschen in die Kriminalität bewahren will, oder bei „Der gute Hirte“ (2006). Mit seiner Firma Tribeca ist er auch Produzent. Der Star lebt mit seiner Familie in New York. Die Stadt ist bis heute seine Heimat, der Ort, an dem er sich wohlfühlt. Dort fällt auch ein De Niro wenig auf, sagt er: „Kein Mensch rechnet damit, dass ich da einfach so auf der Straße herumlaufe.“ De Niro hat aus drei Beziehungen vier Söhne und eine Tochter, im Alter zwischen 37 und anderthalb. Das jüngste Kind kam Ende 2011 mit Hilfe einer Leihmutter zur Welt. Grace Hightower ist seine zweite Frau.
1999 entdeckt De Niro ein neues Genre für sich: die Komödie. Damit lässt sich sein Macho-Image vergnüglich parodieren. So glänzt er in „Reine Nervensache“ als Mafia-Boss, den Potenzprobleme zum Psychotherapeuten treiben. Der Film wird zum Hit – wie auch die Fortsetzung 2002 und Komödien wie „Meine Braut, ihr Vater und ich“ (2000) und „Meine Frau, unsere Kinder und ich“ (2011). Für „Silver Linings“ (2009) wird De Niro nach etlichen Jahren erneut für den Oscar nominiert, seine siebte Nominierung.
Jüngst hat Luc Besson mit De Niro gedreht: In „The Family“, der im Herbst in den USA anläuft, ist er ein Ex-Mafioso, der ausgepackt hat und nun im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms mit Frau (Michelle Pfeiffer) und Kindern in Frankreich ein unauffälliges und vor allem gewaltfreies Leben führen soll – Stoff für eine rabenschwarze Komödie. TEXT: epd, tbr