Welch herrlich provokanter Einfall: Eine Operninszenierung zum Thema einer Oper zu machen. Ein neureicher Wiener Schnösel hat in Richard Strauss' und Hugo von Hoffmannsthals Oper „Ariadne auf Naxos“ das Auftragswerk mit der Vorgabe bezahlt, die verehrten Gäste nicht mit einer Opera seria an den Rand der Schwermut zu bringen, sondern sie durch eine eingestreute Opera buffa zu erheitern. Und, selbstredend: Das Ganze bitte schön kurz, denn um neun Uhr zündet das Feuerwerk – als Kunstdessert.
Das kommt uns sehr bekannt vor: Wohlhabende Herrschaften, die sich gerne mit der Aura der Hochkultur ummanteln, um der geneigten Welt ihren Kunstverstand zu präsentieren, wie der Kaiser seine neuen Kleider, dabei aber die Spielregeln bestimmen.
Eine Vielzahl von Gags
Und nun wagt die scheidende Meininger Operndirektorin und Regisseurin Aldona Farrugia das Experiment, das Publikum der Provokation des „Crossover“-Werkes aus schwerer Oper und leichter Operette (in der überarbeiteten Fassung von 1916) auszusetzen. Mit inszenatorischen Witz und einer Vielzahl von kleinen Gags, die selbst vor der Pause nicht Halt machen. Mit einem Aufgebot an gesanglich und mimisch profilierten und aufeinander eingespielten Sängerinnen und Sängern. Übrigens fehlte die erkrankte Elif Aytekin , die, alternierend mit Monika Reinhard, die Zerbinetta und die Nymphe Najade singt. Ihre Rolle der Najade wurde von Ani Taniguchi vom Bühnenrand aus gesungen und von der Regieassistentin Tanyel Bakir gespielt.
Mit einer Richard-Strauss-erfahrenen, souveränen Meininger Hofkapelle unter GMD Philippe Bach. Mit einer pfiffigen Choreografie von Axel Monsigny, die den Tenor Bacchus (Michael Siemon) vom Theaterhimmel herunterschweben lässt, nicht ohne die griechischen Säulen zu streifen. Mit einem wandlungsfreudigen, halb realistischen, halb abstrakten Bühnenbild von Anja Hertkorn, in dem die Figuren mal barock, mal gegenwärtig gekleidet durch die Handlung wandeln.
Beliebte Arien begeistern die Zuschauer
Egal, ob Anfang des 20. oder Anfang des 21. Jahrhunderts: Die Mehrheit des in Jahrzehnten eher konservativ geprägten Meininger Publikums ist anfangs irritiert über die ungewohnten Einblicke ins wilde Leben hinter der Bühne. Der Fokus der Aufmerksamkeit irrlichtert zwischen den wechselvollen Gemütslagen der erregten Künstler, wie das Scheinwerferlicht auf der Suche nach einem Zentrum.
Was das Ganze für den spärlich vorinformierten Laien erschwert, ist das immer wiederkehrender Phänomen, dass die Künstler zwar brillant singen und mimen, aber die artikulierten Worten nur selten die Bühnenrampe überschreiten. Gerade im Vorspiel jedoch sind die Dialoge fürs tiefere Verständnis der Motiventwicklung bedeutsam. Hier wären Übertitelungen hilfreich gewesen. Der eigentliche Ariadne-Akt hingegen lebt weit mehr von der Ausdrucksstärke der Gefühle als von jederzeit verständlichen Worten. Brit-Tone-Müllertz als einsam leidende Ariadne und Monika Reinhard als schelmisch-charmante Zerbinetta, die mit ihrer Commedia dell'arte-Truppe die Schmerzenreiche zum Leben und Lieben ermutigen möchte, animieren das Publikum mit den beliebtesten Arien des Werkes zu heftigstem Zwischenapplaus. Die Eine mit „Ein Schönes war“ und die Andere mit der großartigen Koloraturarie „Großmächtige Prinzessin“.
Melodien, die begeistern
Da haben wir sie wieder, diese ungeheure Sehnsucht der meisten Opernbesucher nach Sangesseelentiefe und balsamischem Wohlklang. Selbst die Strauss'sche Musik gerät nach dem irrlichternden Vorspiel in ruhigere Wogen. Die Melodien setzen sich im Gemüt der Zuhörer fest. Aber nach den wundersamen Wandlungsgesängen von Ariadne und Bacchus sehnt sich manch Zuschauer wieder nach den augenzwinkernden Kommentaren von Zerbinettas Truppe. Schließlich ist es nicht neun, sondern bereits zehn Uhr. Wenn schon hinterm Theater kein Feuerwerk gezündet wird, so wartet vielleicht irgendwo noch ein kaltes Buffet.
Nächste Vorstellungen: 22. und 29. April, 19 Uhr, 30. Mai, 19:30 Uhr, 10. Juni, 15 Uhr. Kartentelefon 03693-451 222. www.meininger-staatstheater.de