Dutzende Schulen zwischen Kiel und München sind nach ihr benannt, auch auf Straßenschildern ist Ricarda Huch vielerorts präsent. Dagegen sind die Gedichte, Erzählungen und Romane der vor 150 Jahren – am 18. Juli 1864 – in Braunschweig geborenen Schriftstellerin weitgehend in Vergessenheit geraten.
„Fast niemand wird so viel beschworen, aber so wenig gelesen wie sie“, sagt der Germanist Cord-Friedrich Berghahn, der ein internationales Symposium zum Leben und Werk der 1947 gestorbenen Grande Dame der deutschen Literatur organisiert hat. Huchs Geburtsstadt feiert die Autorin zudem mit verschiedenen Veranstaltungen.
Viele Dinge faszinieren an der Kaufmannstochter, die als eine der ersten deutschen Frauen studierte und an der Universität Zürich in Geschichte promoviert wurde. Schriftstellerkollege Thomas Mann feierte sie 1924 gar als „erste Frau Deutschlands“ und womöglich erste in Europa. 1926 wurde sie als erstes weibliches Mitglied der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste berufen. Aus Protest gegen deren nationalsozialistische Gleichschaltung trat sie 1933 wieder aus.
Die Folgejahre verbrachte Huch bei der Familie ihrer Tochter in Jena. Der zweite Band ihrer „Deutschen Geschichte“ erschien 1937 nur noch unter Schwierigkeiten, der dritte, 1941 fertigstellte Band überhaupt nicht mehr. Ansonsten wagten die Nazis keine Sanktionen gegen die preisgekrönte Autorin, sondern wollten sie sogar für sich vereinnahmen. Als „wahre Katastrophe“ bezeichnete Huch später, dass sie den auf Geheiß von Propagandaminister Joseph Goebbels 1944 verliehenen Wilhelm-Raabe-Preis nicht abgelehnt hatte. Zum 150. brachte der Insel Verlag jüngst ihren 1917 erstmals erschienenen Kriminalroman „Der Fall Deruga“ in einer Neuausgabe heraus. Das Bundesfinanzministerium würdigt Ricarda Huch mit einer Sonderbriefmarke. Ein Porträt der Dichterin schmückt die Marke sowie die Gedichtzeile „Kein Fürchten soll mich lähmen“, so etwas wie ihr Lebensmotto. Freiheitsliebend, aufrichtig und unerschrocken war sie auch im Privaten.
Als Teenager verliebte sie sich in ihren weitaus älteren Schwager Richard Huch. Die leidenschaftliche heimliche Liebe verarbeitete Huch literarisch. 1898 heiratete sie den italienischen Zahnarzt Ermanno Ceconi. Nach der Scheidung 1906 folgte eine kurze Ehe mit ihrer Jugendliebe Richard, die im Fiasko endete. Im Deutschen Literaturarchiv Marbach lagert der Nachlass der Schriftstellerin: 50 Kästen mit Roman- und Gedichtmanuskripten, Notizen und Erinnerungen, Briefen und Lebensdokumenten. „Für ihren Mut im Nationalsozialismus wird sie bis heute bewundert“, so Archivarin Dorit Krusche.