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Ray Davies: Der Kinks-König kehrt zurück
Ray Davies: Als er 1964 mit seiner Band The Kinks den Song „You really got me“ herausbrachte, veränderte das die Musikwelt. Heute, 21. Juni, wird Raymond Douglas Davies 70 Jahre – und er kündigt ein Comeback an.
Bunte Sixties: The Kinks anno 1966 mit (von links) Ray Davies, Pete Quaife, Dave Davies und Mick Avory.
Foto: Chris Walter, Photofeatures, Renta | Bunte Sixties: The Kinks anno 1966 mit (von links) Ray Davies, Pete Quaife, Dave Davies und Mick Avory.
Redaktion
 |  aktualisiert: 15.12.2015 14:41 Uhr

Das Jahr 1963 ist das Jahr der Revolution. Britische Nachwuchsmusiker in Straßenkleidung beginnen, sich von ihren Anzug und Schmalztolle tragenden US-Vorbildern wie Elvis Presley radikal zu lösen. Sie entwickeln aus dem amerikanischen Rock ’n‘ Roll und dem britischen Skiffle einen eigenen Musikstil. Es ist die Geburtsstunde der Beat-Musik mit Figuren wie Paul McCartney, John Lennon, Mick Jagger, Keith Richards, Roger Daltrey oder Pete Townshend. Zu dem Zeitpunkt tragen Ray Davies und sein jüngerer Bruder Dave aus dem Londoner Stadtteil Muswell die Haare bereits länger als die Beatles, spielen lauter als die Rolling Stones und ziehen sich verrückter an als The Who.

Gerade haben sie die Band The Kinks (auf Deutsch etwa: Die Schrulligen, die Ausgeflippten, aber auch eine Anspielung auf das Wort Kings = Könige) gegründet. Sie gilt heute neben den Beatles, den Rolling Stones und The Who als eine der erfolgreichsten – und vor allem wichtigsten – britischen Gruppen der 1960er Jahre. Ihre unzähligen Hits wie „Lola“, „Dead end street“, „Sunny afternoon“, „Waterloo sunset“, „Days“, „Death of clown“ oder „Dedicated follower of fashion“ gehören zu den größten Songs der Popgeschichte.

Der junge Ray Davies, der heute, 21. Juni, seinen 70. Geburtstag feiert, kann nicht nur ausdrucksstarke, gleichwohl melodische Songs über den englischen Alltag schreiben, sondern weist sich zudem als intelligenter, intellektueller, oft zynisch-bitterer Chronist des bürgerlichen Spießertums und politischen Geschehens aus. Sein jüngerer Bruder Dave steht meist in seinem Schatten, weshalb hinter den Kulissen ein permanenter Führungskrieg abläuft, der öfter in Handgreiflichkeiten gipfelt. Immer aber bleibt Ray der König der unumstrittene Kinks. Ihren Frust entladen die Streithähne in neuartigen Gitarren-Songs wie „You really got me“. Die rifflastige Nummer mit den genial-simplen Akkorden und dem frechen Gesang kracht im Sommer 1964 in die jungfräuliche Rockszene und wird heute als Urknall für Hardrock, Metal und Punk gesehen. Es ist der erste Welthit für die Kinks, dem noch zahlreiche folgen sollen.

„Ich schrieb ,You really got me' bereits mit 15 Jahren und zwar größtenteils am Piano“, erinnert sich Ray Davies. „Ich glaube, es war mein fünfter Song überhaupt. Eigentlich sollte es ein Blues-Jazz-Stück werden. Als die Nummer schließlich im Sommer 1964 rauskam, klang sie anders als alles Dagewesene. Ein schmutziger, höllischer Rocksong mit verzerrten Gitarren zu einer Zeit, als die ganze Welt nach schönen Beatles-Harmonien verlangte. Niemand hatte uns gesagt: So, Leute, nun wollen wir mal den Verzerrer erfinden. Es hat sich einfach so ergeben. Diesen speziellen Gitarrensound haben mein Bruder Dave und ich selbst kreiert. Ich glaube, Jimmy Page war damals ein bisschen neidisch auf uns.“

In den USA, wo man die Kinks mit offenen Armen empfängt, sind sie 1965 schon wieder weg vom Fenster, nachdem sie wegen rüpelhaften Benehmens ein vierjähriges Auftrittsverbot erhalten. In diesem Sinne pries Metallica-Gitarrist James Hetfield den verwegenen und rebellischen Querulanten Ray Davies in einer Laudatio zum 25-jährigen Bestehen der Rock 'n' Roll Hall Of Fame als einen der ersten Punks. Der Geehrte ist damit nicht ganz einverstanden. „Ich glaube eher, mein Bruder Dave war der erste Punk. Er hatte als junger Mann eine sehr punkige Attitüde. Ich auch, aber ich habe das nicht an die große Glocke gehängt. Daves große Klappe brachte uns eine Menge Ärger ein.“

Die Flut von Hits setzt sich bis Anfang der 1970er Jahre trotz Ray Davies‘ schwerer Drogensucht fort, allerdings sind die neuen Songs eingebettet in komplexe Konzeptalben und Rockopern. Die tragen rätselhafte Titel wie „Village Green Preservation Society“ oder schlicht „Arthur“ und gelten heute als Meilensteine. In den Songs befasst Ray Davies sich mit dem historischen England der Tanzsaal-Ära oder dem Fall des britischen Weltreichs. Einen Transvestiten in einer Bar in Soho besingt er in seinem erfolgreichsten Titel – „Lola“, eine Schunkelnummer, deren Refrain nicht nur in England jeder mitgrölen kann. Was löst es bei dem längst cleanen Ray Davies aus, wenn er heutzutage das Drogen- und Sextheater um Kollegen wie Pete Doherty (einst Libertines, heute Babyshambles) mitkriegt? „Jeder junge Künstler hat einen Dämon in sich, den er in Schach halten muss“, sagt er aus eigener Erfahrung. „Tut man das öffentlich, wirkt es zuweilen, als wolle man seine Fans beleidigen. Bei einer Charity-Gala sind Pete Doherty und ich mal im Duett aufgetreten. Trotz aller Skandale um seine Person ist er eine Seele von Mensch. Sein Pech, dass die englische Boulevardpresse sich auf ihn eingeschossen hat. Ich selbst lebe heute eher gesund. Sonst könnte ich diesen Wahnsinns-Job gar nicht machen.“

18 Jahre nach Trennung der Kinks wollen die zerstrittenen Brüder wieder gemeinsam Songs schreiben und sogar auf Tour gehen. Ein größeres Geschenk kann sich Ray Davies zu seinem 70. Geburtstag am 21. Juni nicht machen. „Streit generiert Energie“, sagt der Commander of the British Empire heute. „Die kann durchaus positiv sein. Ich habe mich darüber mal mit Noel Gallagher von Oasis unterhalten. Ich sagte ihm, eines Tages würde er ganz bestimmt wieder mit seinem Bruder arbeiten. Da antwortete er: Yeah.“

Ray Davies

Ray Davies wurde am 21. Juni 1944 in Muswell Hill, London, als Raymond Douglas Davies geboren. 1963 gründete er, damals noch Kunststudent, mit seinem Bruder Dave die Gruppe The Kinks. 1996 löste sie sich auf. Sollte es zu einer Wiedervereinigung der Kinks kommen, wäre neben Ray (70) und Dave (66) Davies auch noch Original-Schlagzeuger Mick Avory (69) dabei. Bassist Pete Quaife starb im Jahr 2010.

Privat in die Schlagzeilen geriet Ray Davies im Januar 2004, als er in New Orleans auf offener Straße von einem Straßenräuber angeschossen wurde, den er verfolgte, weil dieser versucht hatte, seiner Bekannten die Handtasche zu stehlen. Am 17. März 2004 wurde ihm von Königin Elisabeth II. die Auszeichnung Commander of the British Empire (CBE) verliehen. Nach dem Ende der Kinks trat Davies einige Male als Gaststar mit anderen Interpreten wie Damon Albarn, The New Pornographers, Yo La Tengo, Bon Jovi, Metallica oder The Kooks auf. Im Herbst 2008 wurde sein Musical „Come Dancing“, das auf seinem gleichnamigen Song aus dem Jahr 1982 aufbaut, mit Davies in der Rolle als Erzähler in London aufgeführt. 2012 sang er bei der Schlussfeier der Olympischen Sommerspiele 2012 in London den Song „Waterloo sunset“. Davies war zweimal verheiratet (bis 1973: Rasa Dicpetri; bis 1981: Yvonne Gunner). Außerdem war er bis 1984 mit der US-amerikanischen Rockmusikerin Chrissie Hynde (The Pretenders) liiert; aus dieser Beziehung stammt eine Tochter. Insgesamt hat Davies vier Töchter mit drei verschiedenen Frauen.

Ray Davies 1967
Foto: Cinetext | Ray Davies 1967
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Foto: dpa | Ray Davies heute
 
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