Das Bügeleisen. Natürlich. Das kommt immer, wenn's um die TV-Serie „Raumpatrouille“ geht. Filmarchitekt Rolf Zehetbauer hatte das Haushaltsgerät an prominenter Stelle im Kommandostand des schnellen Raumkreuzers Orion platziert. Als sei es Spitzentechnologie der Zukunft. Wirkt heute rührend unbeholfen. Doch vor 50 Jahren, zu „Raumpatrouille“-Zeiten, gab's noch keine Computertrickserei. Da waren bei Filmemachern Fantasie und Improvisationstalent gefragt. Also startete die Orion am 17. September 1966 halt mit Rowenta-Bügeleisen und verchromten Wasserhähnen im Cockpit aus den Tiefen des Meeres, und Alka-Seltzer-Tabletten sorgten im Trickstudio für den passend dramatischen Blubbereffekt. Wenn Commander Cliff McLane dann nach erfolgreicher Mission den „Rücksturz zur Erde“ einleitete, kurbelte er lässig an Bleistiftspitzern.
Frauenherrschaft und Macho-Sprüche
Das mit dem Bügeleisen ist nett, hat nostalgischen Charme und ist ein Teil des Kults, der sich um die sieben „Raumpatrouille“-Episoden rankt. Aber es gibt wesentlich Spannenderes zu entdecken zwischen Starlight-Casino und vorgeschobener Außenbasis MZ-4. Dinge, die gesellschaftlich und politisch gesehen nahezu revolutionär waren.
Zum Beispiel General Lydia van Dyke. Die schwarzen Haare am Hinterkopf zur „Raumpatrouille“-typischen Frisur getürmt, steht sie für Emanzipation. Frau van Dyke – resolut gespielt von Charlotte Kerr (1927 bis 2011), der späteren Frau von Friedrich Dürrenmatt – befehligt die Schnellen Raumverbände. Eine Frau in einer Führungsposition, mit Befehlsgewalt über Männer – ungeheuerlich! Grenzte es Mitte der 60er doch schon an Rebellion, wenn eine Frau auch nur Auto fuhr („Frau am Steuer – ungeheuer“ lästerte Mann damals)! Die TV-Serie dachte über herrschende Verhältnisse hinaus. Das wurde Rolf Honold, der die Ideen zur „Raumpatrouille“ hatte, wohl selbst unheimlich: In der Folge „Der Kampf um die Sonne“ entwickelte er zwar den von Frauen beherrschten Planeten Chroma.
Dort darf Orion-Kommandant McLane aber jede Menge Machosprüche ablassen. Am Ende muss er sogar bleiben, um den Frauen zu zeigen, was eine richtige Führungskraft ist.
„Raumpatrouille“ verwirklicht auch einen Traum, den schon Schiller und Beethoven träumten: „Alle Menschen werden Brüder“. Nationalstaaten existieren nicht mehr. McLane hat eine Crew aus allen Teilen der Welt um sich und das Bügeleisen geschart, wie die Namen verraten: Mario de Monti, Hasso Sigbjörnson, Atan Shubashi und Helga Legrelle.
Eine vereinte Menschheit. Jeder ist ein Erdenbürger, keiner mehr ein Fremder. Kriege zwischen Staaten – Vergangenheit. In den 60ern, als sich Ost und West hochgerüstet im Kalten Krieg gegenüberstanden, die reine Utopie.
Trotz dieser Vision einer friedvollen Erde: Den „phantastischen Abenteuern des Raumschiffs Orion“ (Untertitel) wurden auch faschistoide Züge unterstellt, wegen all des militärischen Gepränges mit den üblichen Hierarchien. Aber es gibt eben auch Major McLane. Der verweigert Befehle, weswegen ihm Tamara Jagellovsk (Eva Pflug, 1928 bis 2008)) vom Galaktischen Sicherheitsdienst GSD als Aufpasserin zugeteilt wird.
Doch gerade durch seinen rebellischen Geist rettet McLane immer wieder die Welt. Er ist der Gute. Die Sympathien liegen bei ihm und nicht bei den militärischen Betonköpfen.
Und es gibt GSD-Oberst Villa, der gleich in der ersten Folge angesichts einer potenziellen Bedrohung durch „Exoterristen“ den Militärs vorwirft: „Die Einstellung unserer Generäle ist seit Jahrtausenden die gleiche: Wir sind wir, und taucht jemand anderes auf, dann sprechen eben die Lichtkanonen.“ Und: „Ich halte es für verfrüht, Maßnahmen gegen einen Gegner zu ergreifen, von dem wir überhaupt nicht wissen, ob's überhaupt ein Gegner ist.“ Sehr vernünftig.
Dass Vernunft über Krieg und Gewalt triumphiert, ist auch so ein Traum, den der schnelle Raumkreuzer transportiert. Geträumt vor 50 Jahren. Und heute immer noch nicht Wirklichkeit geworden: Rundum werden Kriege geführt, werden Zäune und Mauern gezogen. Das Zusammenrücken der Menschheit samt Auflösung der Nationalstaaten scheint so weit entfernt wie die Erde vom Planeten Chroma . . .
Aber – wie vor jeder Folge der Schauspieler Claus Biederstaedt aus dem Off verkündet – „Raumpatrouille“ ist ein „Märchen von übermorgen“. Anno 2016 sind wir erst im Heute. Manchmal scheint's sogar, als seien wir mitten im Rücksturz ins Gestern.
Das kriegt kein „Tatort“ hin
Gespielt wurde Major McLane von Dietmar Schönherr (1926 bis 2014), den viele bis in sein hohes Alter mit dieser Figur identifizierten. „Die Leute kommen immer noch und wollen Autogramme auf Fotos, wo ich als Commander drauf bin“, erzählte er einmal dieser Redaktion. Gestört hat ihn das nicht. „Raumpatrouille“ sei zwar nur eine kleine Episode in seinem langen Berufsleben gewesen, „ich habe aber damals schon gerochen, dass das ein Straßenfeger wird“.
Schönherr hatte den richtigen Riecher: Die erste deutsche Science-Fiction-Serie, gestartet neun Tage nach der US-Erstausstrahlung der viel moderneren „Star Trek“ Reihe, erreichte um die 50 Prozent Einschaltquote. Heutige TV-Hit-Lieferanten wie Thiel und Boerne kriegen das – auch wegen der privaten Konkurrenz – bei Weitem nicht hin. Vielleicht sollten die „Tatort“-Macher mal ein Bügeleisen an prominenter Stelle positionieren . . .