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WÜRZBURG
Rainhard Fendrich: Keiner verlässt gerne seine Heimat
Rainhard Fendrich, 2013 im CCW in Würzburg
Foto: Christoph Weiß | Rainhard Fendrich, 2013 im CCW in Würzburg
Michi Bauer
 |  aktualisiert: 27.04.2023 07:24 Uhr

„Die Geisterbahn“, „Kein schöner Land“ oder „Du bist schön“ – Rainhard Fendrich ist weitaus mehr als der Austropop-Künstler, der in Deutschland mit „Macho Macho“ oder „Es lebe der Sport“ die Hitparaden gestürmt hat. Gerade in den weniger bekannten Winkeln seines Schaffens versteckt sich der Liedermacher Fendrich. Der 63-jährige Wiener liebte schon als Jugendlicher die Musik mehr als die Mathematik, brach sein Jurastudium zu Gunsten einer Schauspiel- und Gesangausbildung ab. Er moderierte die Fernsehshow „Herzblatt“, firmierte mit Wolfgang Ambros und Georg Danzer als „Austria 3“, organisierte in seiner österreichischen Heimat immer schon Benefizveranstaltungen.

Und eigentlich war Fendrich in diesem Jahr gerade mitten in der Fertigstellung seines neuen Studioalbums – da entdeckte er ein Plakat, das alle Pläne umwarf. Auf dem Plakat war ein Kind zu sehen und der Satz: „Wenn ich groß bin, werde ich arm“. Die Hilfsorganisation Volkshilfe machte mit dem Motiv darauf aufmerksam, dass es in Österreich rund 300 000 Kinder gibt, die von Armut bedroht sind. Für Länder mit einem so hohen Lebensstandard wie Österreich oder Deutschland fand der Künstler das inakzeptabel und entschloss sich, etwas dagegen unternehmen.

Es wurden kurzerhand drei Konzerte organisiert, deren Reinerlös an die Volkshilfe gehen sollte. Außerdem wurden die Konzerte mitgeschnitten und auf einem Live-Album („Für immer a Wiener – live und akustisch“) veröffentlicht – auch hier kommt der Reinerlös zur Gänze bedürftigen Kindern in Deutschland und Österreich zugute. Die Set-List wurde aus Wunschtiteln der Fans zusammengestellt, neben Klassikern und Raritäten gibt es darauf auch einen neuen Titel: „Die Liebe bleibt immer ein Kind“ – mit Versen wie „tausend Jahre haben nichts gelehrt, Hunger, Armut als Beweis und Kinder in der Seele früh versehrt“.

Mit dem „Live & akustisch“-Programm ist Fendrich aktuell auch auf Tour. Am 13. Oktober kommt er in die Würzburger s.Oliver Arena. Vorab hat er uns ein Stichwort-Interview gegeben.

Für immer a Wiener

Rainhard Fendrich: Man kann aus seiner Haut nicht heraus. Wenn man wo geboren und aufgewachsen ist hat man zu diesem Ort eine immerwährende Verbindung, egal wo man sich aufhält, oder lebt. Ich habe dieser Stadt sehr viel zu verdanken. Hier bekam ich meine ersten Chancen, hier feierte ich meine ersten Erfolge. Wien ist zwar nicht mehr mein Zuhause, aber wird immer meine Heimat bleiben, weil es der Ort ist, den ich in der Ferne am meisten vermisse. Ich werde immer Wiener bleiben.

Wien, das Sterben und der Tod

Fendrich: Ich weiß wirklich nicht woher dieses morbide Image kommt. Wien ist eine sehr lebenslustige, pulsierende Stadt, die aus einem Völkergemisch der österreichisch-ungarischen Monarchie entstanden ist und im 19. Jahrhundert noch viel größer war als heute. Vielleicht ist es der riesige Zentralfriedhof mit seinen prunkvollen Gruften, den Wolfgang Ambros besingt, oder die pompösen Begräbnisse des 19.Jahrhunderts, die Wien in die „Nähe des Todes“ rückten. Ein Begräbnis galt damals bei wohlhabenden Familien als regelrechtes Statussymbol. Das gab es aber auch in anderen Städten Europas. Der Zentralfriedhof ist allerdings verdammt groß.

Danzer, Ambros oder Falco

Fendrich: Ich schätze alle drei gleichermaßen, weil sie die Bandbreite österreichischer Popmusik deutlich machen.

Kein schöner Land, nicht einmal ein Zuhaus

Fendrich: Ein alter Song , der sagen will, dass manchmal das Leben in einem Land unerträglich werden kann, wenn demokratische und menschliche Werte den Bach runtergehen. Keiner verlässt gerne seine Heimat. Aber wenn der Krieg keine andere Wahl lässt als die Flucht, sollten sich die, die Angst um ihren Wohlstand haben der Gnade ihrer Geburt bewusst werden. Die Angstmache und Kriminalisierung von Hilfesuchenden ist heute unerträglich.

Soziale Medien, Shitstorm, Fake News

Fendrich: „Die Geister, die ich rief . . .“ – Fluch und Segen. Man kann alles sofort allen mitteilen, aber auch wirklich alles. Und das ist der Haken. Wir müssen nicht mehr beobachtet werden. Wir beobachten uns selbst. Und unsere Meinung können wir versteckt hinter einem netten Profilbild endlich mal so richtig sagen. Das ist das einzig wirklich Wahre. Die Leute schreiben, was sie denken. Aber wer schon einmal in Hundekot getreten ist, weiß, dass es nicht lebensbedrohlich ist.

CD, Download, Tour

Fendrich: Die Tonträger haben sich in den letzten Jahrzehnten sehr verändert und werden bald ganz verschwinden. Musik wird man in Zukunft streamen oder downloaden, oder man wird sie wieder mehr live hören wollen. Es hat eine Zeit gegeben, da hat man nur Musik gehört, wenn man sie gemacht hat. Die Bühne wird für Musiker immer wichtiger. Sie hat sich in den letzten 4000 Jahren nicht verändert, und das wird auch so bleiben.

Musik, Fans, Alter

Fendrich: Es ist schön zu sehen wenn in einem Konzert jemand ein Lied mitsingt, der noch gar nicht auf der Welt war, als es geschrieben wurde. Musik rückt oft näher an deine Seele, als das gesprochene Wort. Dass Musik jung hält, glaube ich nicht, aber alt ist man erst dann, wenn man an der Vergangenheit mehr Freude hat als an der Zukunft.

Sehnsüchte, Träume, Utopien

Fendrich: Meine Sehnsucht ist das Meer. Meine erste Platte war von Freddy Quinn. Es zieht mich magisch an, seitdem ich es mit 18 das erste Mal gesehen habe. Träume wage ich gar nicht mehr zu haben. Zu viele sind in Erfüllung gegangen und ich fühle mich vom Schicksal beinahe zu reich beschenkt. Utopien interessieren mich nur, wenn sie die Chance haben, Realität zu werden.

Prater, Grinzing, Schnitzel

Fendrich: Da lockt mich leider nichts von allem. Der Prater ist zu laut, Grinzing voller Touristenbusse und das Schnitzel leider viel zu fett.

Rapid, Austria, Ski-WM

Fendrich: Ich bin kein Fußballfan, aber Skirennen sehe ich bisweilen sehr gerne.

Wiens feine Gesellschaft

Fendrich: Wiens feine Gesellschaft ist mir nur vom Hörensagen bekannt. Aber es soll sie geben.

Rainhard Fendrich: „Für immer a Wiener – Live 2018“, Sa., 13. Oktober, 20 Uhr, S.Oliver Arena, Würzburg. Karten unter Tel. (09 31) 60 01 60 00 oder www.mainticket.de

 
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