Zwei Stunden rocken Nazareth die Würzburger Posthalle, stromern durch 46 Jahre Bandgeschichte. Dann steht Pete Agnew in dem kargen Räumchen zwei Stockwerke höher – und ist nachdenklich. „Ich vermisse ihn, er ist mein bester Freund“, sagt der Bassist der schottischen Hardrocker.
Nein, gestorben ist Dan McCafferty nicht, aber nicht mehr auf Tour dabei. Eine Lungenerkrankung zwingt den Sänger, mit dem Agnew 1968 Nazareth gegründet und 2014 noch die aktuelle CD aufgenommen hat, zur Pause – Rückkehr unwahrscheinlich.
Von dieser Melancholie ist nicht viel zu hören beim Auftritt. Das Quartett, zu dem seit Ende der Neunziger auch Pete Agnews Sohn Lee an den Drums gehört, scheppert wie eh und je. Das ist keine unnötig vertrackte Kunst, das ist geradliniger, schlichter Rock, herzlich, ehrlich, authentisch. Klar täte dem Sound eine zweite Gitarre gut, womöglich ein Keyboard. Andererseits: Wer's rumpelig mag, kommt bei Nazareth auf seine Kosten. So hat sich das halt angehört, als ein Genre geboren wurde. Wer weiß, ob Iron Maiden oder Metallica heute so klingen würden, hätten da nicht in den frühen Siebzigern Nazareth, Uriah Heep, Black Sabbath oder auch die frühen AC/DC und Judas Priest die Schlagzahl des Rock'n'Roll deutlich erhöht.
Schön, dass der Vierer, von dem nur Pete Agnew von Beginn an dabei ist, immer noch seine erste Single („Dear John“) rauskramt. Oder Party-Evergreens wie „Holiday (Mama, Mama, please)“. Aber auch Aktuelles wie „One set of the bones“ haut rein. Natürlich fehlen Nummer-1-Hits wie das groovige Joni-Mitchell-Cover „This flight tonight“ oder „Love hurts“ nicht. Dass es sich eine Band, deren kommerziell erfolgreichste Zeit lange vorbei ist, aber erlaubt, mit „Dream on“ einen ihrer bekanntesten Songs einfach wegzulassen, zeugt von Selbstbewusstsein. Die Rechnung geht auf: Die nur 300 Fans sind begeistert, tanzen, singen, träumen von der eigenen Jugend.
Sie sehen es Ersatzsänger Linton Osborne nach, dass er (noch) nicht McCaffertys Ausstrahlung hat – aber Stimme hat der Mann schon. Gitarrist Jimmy Murrison war vor 20 Jahren ebenfalls ein Glücksgriff. Pete Agnew beweist auch abseits der Bühne Gespür, hat sein Baby im Griff. „Das kann noch Jahre so weiter gehen“, sagt er. Und hat in Würzburg nur eine Sorge: „Dieses Wetter. Bei euch ist es ja viel kälter als in Schottland.“ Besser dürfte der Bocksbeutel angekommen sein, der da auf dem Tisch steht – leer.