Für das Interview bin ich extra komplett unvorbereitet, um erfolgreich unterzugehen und zu scheitern. Tut mir leid, aber jetzt hängt alles an Ihnen.
Thomas Heinemann: Kein Problem!
Martin Maria Eschenbach: Nein, habe ich noch nicht bekommen. Aber Herr Sommerfeld hat ja auch eine Mehlallergie . . .
Angelo Sommerfeld: Des fängt an den Fingerkuppen an und juckt und juckt, dann kratzt du und kratzt, und dann fallen die doden Haudschuppen nei?s Mehl nei . . .
Sommerfeld: . . . und da hab ich gesagt „cut“, ich kann das dem Kunden nicht zumuten, dass der dann meine dode Haud kaud.
Sommerfeld: Also, es is so . . .
Sommerfeld: . . . also, wenn ich des jetzt erzählen würd‘, der Presse, dann wär ich e Vollhorn. Dann kommt keiner mehr in mein Seminar, sondern zieht sich die ganzen Skills aus Ihrem Bläddle. Des is ein Fünfkomponentengemisch aus dem Mürbteich, aus dem Quark, aus dem Biskuidd, Sahne und Tobbing. Und jede Schicht hat natürlich ihr Geheimnis. Ich bin jetzt vorsichtig mit dem Oudpud, ernsthaft.
Heinemann: Das Buch, das Format, die Figur, der Schauspieler – im besten Fall ist das ein gutes Miteinander, das den Erfolg machen kann. Es gibt ein schönes altes Sprichwort: „Wenn Du den lieben Gott zum Lachen bringen willst, dann mache einen Plan.“ So etwas kann man nicht planen. Man muss selbst davon überzeugt sein, das ist die Hauptsache. Wenn es dann gut läuft, gefällt es anderen auch.
Heinemann: Nein, nein. Geplant war das nicht fürs Internet. Geschrieben waren die Folgen auf 25-Minuten-Länge. Der BR wollte es aber gerne als Webserie platzieren, also habe ich mit dem Cutter auf sehr kurze Folgen umgebaut. Da geht?s schon los. Man kann viel planen, es kommt doch immer wieder anders.
Heinemann: Ja sicher, Tempo und Komprimierung funktionieren gut, aber die ganz kurzen Folgen kommen ja eher wie kleine Sketche daher, und man merkt erst mal gar nicht, dass es eine Geschichte dahinter gibt. Wenn wir jetzt die zweite Staffel starten, werden die Folgen länger, da gehen wir auf acht bis zehn Minuten. Da bekommt man als Zuschauer schon mit: Aha, die Geschichte entwickelt sich. Der Sketch-Eindruck ist jetzt Gott sei Dank weg.
Heinemann: Wenn man sich auf drei Minuten konzentrieren muss, bleibt nicht viel Zeit für die leisen Töne oder für stillere Sequenzen, die aber auch Komik ausmachen. Die Komik sitzt ja oft auch in der Tragik drin. Bei drei Minuten bleibt dafür keine Zeit, da muss man versuchen, schnell auf Pointe zu gehen. Eigentlich nicht so der Stil, den wir pflegen.
Eschenbach: Ach, der ganze Abend macht mir großen Spaß, weil er gefärbt ist mit allen Farben. Für mich als Schauspieler ist das wunderbar. Alles drin, und die Mischung machts. Es macht genauso Spaß, die Leute zu schimpfen oder auch zum Lachen zu bringen . . .
Sommerfeld: Mir macht des auch Schbass! Wenn sie drinsitzen wie in der Schule . . .
Eschenbach: Die leisen Töne zu spielen und eine Betroffenheit und Verlorenheit zu zeigen, gehört genauso dazu.
Heinemann: Nee, nee, die bleibt im Netz, die geht nicht ins TV. Der BR ist für so ein Format einfach zu groß. Man muss ihn sich wie ein Amt vorstellen, bis da eine Idee über alle Schreibtische gelaufen ist, da vergehen zwei Jahre. Für uns war der BR eine schöne Starthilfe, jetzt machen wir alleine weiter.
Heinemann: Da hatte ich eine schöne Idee, die ich vor 20 Jahren schon im Theater am Neunerplatz umgesetzt habe. In „Traube, bitte kommen“, die Älteren werden sich vielleicht erinnern, es war die Geburtsstunde von Erwin Pelzig. Wir haben damals für lokale Firmen Werbespots live auf der Bühne gespielt. Auch für die Kunden war das eine Überraschung, denn sie haben ihren Spot bei der Premiere zum ersten Mal gesehen und hatten kein Mitspracherecht. Dadurch konnten wir die vier Folgen dieses lokalen Fortsetzungskrimis finanzieren. Mit Shakespeare hätte ich das nicht gemacht, aber wir haben den Theaterabend ja wie einen Fernsehabend gestaltet, inklusive Nachrichten, da passte dann die Werbung wunderbar. Das machen wir jetzt im Internet, einfach auf einer wesentlich größeren Bühne. Mit Spots, die sehr anders sind, die man unbedingt sehen möchte. Das ist keine Werbung zum Wegschalten, das ist Werbung, die einen auf die Couch tackert.
Heinemann: So ziemlich alles, das Buch ist ja völlig auf Angelo zugeschnitten, und ohne Martin gäbe es keinen Angelo. Es ist wie bei Erwin Pelzig. Man könnte die Texte nehmen und von jemand anders spielen lassen, das würde aber nicht funktionieren, es käme im besten Falle eine Parodie dabei heraus und die Improvisation bliebe auf der Strecke. Martin spielt ja nicht Sommerfeld, er ist dann Sommerfeld. Diese Type mit dieser Art zu sprechen a la untere Zellerau – das ist eine so echte Figur, das kann keiner außer Martin.
Eschenbach: Der große Frauenschwarm ist der Angelo bis jetzt noch nicht. Das ist für mich immer erfrischend, wenn Leute in der Vorstellung waren und mich im Privaten treffen und ganz überrascht sind, dass ich einen normalen Stimmsitz habe und mich auch gepflegt unterhalten kann. Auf der einen Seite ist es ein Kompliment, dass viele Leute denken, ich bin wirklich so wie Angelo, die realfiktive Figur. Aber ich bin schon gerne ich.
Sommerfeld: Frau Nadder, alde Schlange, solche Frachen sind nicht nett. Ich bin ja wech vom Heiraden, ich bin ein lonely Wolf, ein überzeuchter Single, aber flexibel. Mit mir kann man reden. Mehr will ich dazu gar nicht sachen, sonst werd ich zu emotional.
Heinemann: Gedreht ist alles, ich sitze gerade im Schneideraum und der Schnitt ist ziemlich aufwendig, auch wenn wir zwei Kameras und ein Drehbuch hatten. Martin durfte viel improvisieren, das macht die Figur ja so echt und lebendig. Jemanden wie Angelo Sommerfeld, den kann man nicht an ein Drehbuch fesseln – da muss man beim Schnitt dann eben fummeln und ist sehr dankbar, dass die anderen Schauspieler ziemlich strikt beim Text geblieben sind und so der Faden nicht verloren geht.
Heinemann: Überhaupt nicht!
Heinemann: Wenn man jemanden, der die ganze Zeit im Netz herumsurft, dazu bewegt, dass er ins Theater geht, ist das wunderbar.
Eschenbach: Für uns ist alles vernetzt, ganz bewusst. Wir greifen ja Themen aus „Positive Sinking“ für die Bühne auf. Und wenn man im Theater ist, versteht man von der Serie mehr. Das ist ja das Schöne an unserem Produkt: Wir bauen eine Gesamtkomposition, die wächst.
Heinemann: Hehe.
Eschenbach: Wahrscheinlich schwer zu lesen oder langweilig.
Heinemann: Der Angelo natürlich.
Sommerfeld: Ähh, Schlusswort? Ähh, Schlusswort ist immer heftig. Wenn ich mir was vormache, dann setz ich das auch um. Kleinvieh ist auch Mist. Ende Gelände.
Und was sagt der BR über Angelo Sommerfeld und die Webserie?
Das Statement von Thomas Sessner, dem Leiter der Redaktion Film aktuell beim Bayerischen Rundfunk:
"Positive Sinking ist eine witzige Webserie mit einer starken Hauptfigur, bei der wir viele Erfahrungen sammeln konnten. So wie vorher vereinbart, haben wir Angelo nur in einer Staffel begleitet, da wir auch andere spannende Webprojekte umsetzen möchten. Wir freuen uns, dass es mit Angelos VIP-Shuttle Service weitergeht und wünschen ihm viel Erfolg mit seinen neuen Geschäftsideen."
Termine: An diesem Mittwoch, 21. September, ist Angelo Sommerfeld mit „Sink Big“ ab 19.30 Uhr in der Disharmonie Schweinfurt zu erleben. Die neuen Folgen von „Positive Thinking“ gibt's ab Oktober auf YouTube.