Queen Victoria ist da. Und ein geschätztes Dutzend tugendhafter Jungfrauen in Zartrosa. Sie kichern und glucksen und schwenken britische Fähnchen. Am liebsten würde man, trotz Brexit, als Zuschauer aufstehen und „God save the Queen“ anstimmen bei der Meininger Inszenierung der Komischen Oper „Die Piraten von Penzance“, die der britische Komponist Arthur Sullivan und sein Librettist W. S. Gilbert 1879 in die Welt gesetzt haben.
Bunt, quicklebendig und mit einer deftigen Brise britischem Humor kommt die Oper – die hierzulande als „Operette“ bezeichnet würde – daher, aus einer Zeit, in der man andernorts im Theater noch vor Ehrfurcht die Hände faltete. Sie präsentiert Ohrwürmer am laufenden Band, von denen der jeweils nachfolgende seinen Vorgänger frisst, bevor sich der in einem festsetzt.
In englischsprachigen Sphären gehört das Werk zu den beliebtesten leichten Opern. Am Meininger Theater sind „Die Piraten von Penzance“ nun die letzte Regie des scheidenden Oberspielleiters Lars Wernecke. Da man die raffinierten, wortspielerisch ausgeklügelten Gesangstexte in Englisch kaum verständlich über die deutsche Bühnenrampe bringen, geschweige denn angemessen übertiteln könnte, griff man auf eine neuere Übersetzung zurück. Das mindert zwar etwas die Wortmelodik der Handlung, aber Inge Greiffenhagen und Bettina Leoprechting haben Sinn und Pfiffigkeit des Originals gut bewahrt.
Sie wollen nur spielen
Die vor einer romantischen Hafenkulisse des Ausstatters Christian Rinke spielende Handlung könnte der blühenden Fantasie eines Urgroßonkels der Monty-Python-Truppe entsprungen sein. Albern. Absurd. Verrückt. Liebenswert. Selbst die bösen Piraten unter ihrem Piratenkönig (in der Sonntagspremiere Marián Krejèík), die an Cornwalls Küsten räubern, entpuppen sich als sympathische und vor allem monarchistisch gesonnene Geschöpfe, die eigentlich nicht mehr wollen als zu spielen. Schließlich ist das Piratenleben allemal aufregender als eine biedere bürgerliche Sinnsuche.
Da sie im Grund ihres Herzens pflichtbewusste Royalisten sind, akzeptieren sie sogar ihren eigenen Untergang. Den hat sich der junge Frederic (Ondrej Šaling) auf die Fahnen geschrieben, der just nach Beendigung seiner Piratengrundausbildung ein tugendhaftes Leben führen und sich der Entdeckung ihm bis dato unbekannter Wesen widmen will: der holden Weiblichkeit.
Dumm nur, dass ihm davon anfangs gleich ein ganzes Geschwader von Jungfrauen auf den Leib rückt: die bereits erwähnten rosaroten Engelchen – Töchter des ebenfalls rosaroten Generalmajors Stanley (Stan Meus). Natürlich entflammt alsbald die Liebe zu einem ganz besonderen Mägdelein: Mabel (Anne Ellersiek). Undsoweiterundsofort.
Mit Witz setzen das Ensemble, der Chor unter Leitung von Martin Wettges und die Meininger Hofkapelle mit ihrem Dirigenten Chin-Chao Lin das kunterbunte Werk um.
Sullivans Tonkunst besteht vor allem darin, sich zwar der musikalischen Motive gerade der italienischen Opera buffa zu bedienen, aber sie wie ein Jongleur nach eigenem Gusto in die Luft zu werfen und wieder aufzufangen.
Ungeahnte Leichtigkeit
Das erzeugt eine ungeahnte Leichtigkeit. Nach der Pause gibt es zwar gelegentlich ein paar Längen, die aber dank leidenschaftlichem Gesang von Chor und Solisten (in der Sonntagspremiere besonders von Anne Ellersiek, Ondrej Šaling und Marian Krejèík, der meisterhaften Komik von Stan Meus) und dem choreografischen Witz der Inszenierung mit einem Augenzwinkern der Königin zu verkraften sind. God save the Queen!
Nächste Vorstellungen: 27. Juni, 8., 15. und 22. September, jeweils 19.30 Uhr. Karten:Tel. (0 36 93) 451-222