
Er trank jahrelang zu viel, rauchte, überstand eine lebensbedrohende Herzoperation, litt an Gürtelrose und konnte wegen einer Augenkrankheit keine Noten mehr lesen: Doch Paul Kuhn machte einfach immer weiter. Nun starb er mit 85 Jahren – wenige Wochen nach der Aufnahme einer CD und kurz vor einem geplanten Konzert. Kuhn wurde als Bandleader und Schlagersänger zum Star, seine Leidenschaft galt aber dem Jazz.
Eigentlich hätte Paul Kuhn am 8. November bei den Leverkusener Jazztagen auftreten sollen. Doch in den vergangenen Tagen machte dem Mann mit dem markant zerknautschten Gesicht die Gesundheit immer stärker zu schaffen. Kuhn starb in der Schweiz, wo er die vergangenen Jahre lebte. Er kam am 12. März 1928 in Wiesbaden zur Welt. Der Sohn eines Croupiers zeigte schon als Kind früh sein musikalisches Talent. Mit acht Jahren präsentierten ihn die Nationalsozialisten als Wunderkind am Akkordeon auf der Berliner Funkausstellung im damals versuchsweise betriebenen Fernsehen. Kuhn lernte bald noch Klavier und Klarinette – und verlor sein Herz an den Jazz.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs spielte er als Pianist in Clubs, die von alliierten Soldaten besucht wurden. Schnell erwarb sich der junge Deutsche, der fast das ganze Repertoire von Glenn Miller beherrschte, einen hervorragenden Ruf als Musiker und Entertainer. Der US-Soldatensender AFN stellte ihn fest an, mehrmals pro Woche wurden Konzerte von Kuhn und seiner Combo übertragen.
Dass Paul Kuhn aber bis heute einem Massenpublikum bekannt ist, hat er einer jahrelangen Abkehr vom Jazz zu verdanken. Eines Tages sei sein damaliger Produzent gekommen und habe gefragt, ob er einen Schallplattenvertrag für „Der Mann am Klavier“ wolle, erzählte Kuhn einmal „Zeit online“. Er habe aber eigentlich keinen Schlager singen wollen. Sein Motiv, es doch zu tun, sei ganz einfach gewesen. „Mit Jazz konnte man damals kein Geld verdienen. Also habe ich das Lied gesungen, aber mit gelangweilter Stimme. Viele sagen, dass das Stück 1953 nur deshalb so erfolgreich war, weil man meine Haltung durchhören konnte.“
Schlager-Klassiker
Die Entscheidung war goldrichtig – die von Paul Kuhn schön schnodderig gesungene Zeile „Gem se dem Mann am Klavier noch en Bier“ sang damals fast ganz Deutschland. Auch sein zweiter Hit „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ von 1963 wurde zum Schlager-Klassiker. Und Kuhn war richtig drin im Schlagergeschäft, arrangierte auch für andere Künstler.
Es war die Hochphase von Kuhns Schaffen. Ab 1968 bekam er die Leitung des Unterhaltungsorchesters des Senders Freies Berlin (SFB). Als Sketch-Partner von Harald Juhnke und mit eigenen Sendungen wie „Hallo Paulchen“ und „Pauls Party“ war er ein Fernsehstar der 70er.
Doch 1980 war in kurzer Zeit alles vorbei. Dem SFB war das Orchester zu teuer, Kuhn flog raus. Auch seine Fernsehshow wurde eingestellt, sein Plattenvertrag gekündigt, seine zweite Ehe scheiterte. Kuhn trank mehr als vernünftig war. Geholfen hat ihm seine dritte Frau Ute. Der Musiker zog von Berlin nach Köln, baute dort sein eigenes Orchester auf und begleitete fortan Peter Alexander.
Reichtümer häufte Kuhn zwar nicht mehr an, aber er schärfte seinen Ruf als deutsche Jazz-Legende. Nach jedem gesundheitlichen Rückschlag ging er wieder auf Tournee. Zu seinem 85. Geburtstag erfüllte er sich auch einen Lebenswunsch: Er nahm in den legendären Capitol Studios in Los Angeles eine Platte auf. Das Mikrofon benutzen, vor dem schon Frank Sinatra sang, mit dem Produzenten arbeiten, der schon Ray Charles veredelte: Paul Kuhn spielte bis zuletzt in der Liga der Großen.