
Wann erlebt man schon ein Orgelkonzert, bei dem die Zuhörer lächelnd, ja manchmal lachend hinausgehen? Nun, das Wort „Konzert“ ist vielleicht nicht ganz treffend – heute würde man „Event“ sagen, denn was Cameron Carpenter in der Würzburger Musikhochschule bot, war ein sportlicher Ritt auf den Tasten, ein Tanz auf dem Pedal. Und doch war sein Bach allen Einwänden sittenstrenger Musikhistoriker zum Trotz bisweilen ein himmlischer Reißer.
Entgegen der Vorankündigung spielte er nur Werke von Johann Sebastian Bach und natürlich von Carpenter. Begründung: Da die Orgel im großen Saal noch nicht voll mit temperierter Stimmung ausgebaut ist, wollte Carpenter die angekündigten Franzosen nicht spielen. Dem Publikum war's recht.
Carpenter spielt unkonventionell erfrischend. Er liebt es, aus fast unhörbar leisen Registern machtvolle Steigerungen aufzubauen (das Schwellerpedal ist in pausenlosem Einsatz), spielt höllische Tempi, und doch hat man nie den Eindruck, dass er an seine Grenzen kommt.
Überraschend und überwältigend schon das eingangs gespielte a-Moll-Präludium und Fuge (BWV 543) – als hätte man dieses Stück noch nie gehört. Und dieser Eindruck setzt sich in der Triosonate G-Dur fort. Das eher spröde Werk wird zum mitreißenden Virtuosenstück. Hier verzichtet Carpenter auf Registerwechsel innerhalb der Sätze, was er sonst in fast jedem Takt macht, den langsamen Satz taucht er in bizarre Registerfarben.
Carpenter entlockt der neuen Orgel eine ungewöhnliche Vielfalt an Farben, an schönen, aber auch merkwürdig schnarrenden Klängen – ein fantastisches Instrument, dessen Möglichkeiten nach einer feurigen Französischen Suite (der Beifall war bereits nach dem ersten Satz der Bearbeitung enthusiastisch) am deutlichsten in einer Improvisation werden. Cameron begibt sich auf jazziges Gelände, scheut auch Drehorgelklänge nicht, fetzige Ragtime-Rhythmen reißen die Hörer mit. Zitat eines Zuhörers: „Bach war gut, aber Cameron war besser.“
Dann noch einmal Bach in extremer Fülle, Passacaglia und Fuge c-Moll. Hier trifft zu, was jemand über diesen Ausnahmekünstler formuliert hatte: Er spielt Werke von Johann Cameron Bach. Man sieht ihm an, wie es ihm Spaß macht, die Orgel mit vollen Lungen sprechen zu lassen, mit gewagten Registerfarben zu spielen. Grenzenlose Begeisterung beim Publikum, zwei Zugaben, die zweite noch eine Bach-Fuge, aber nicht pur, sondern am Ende mit einer wuchtigen, überwältigenden, witzigen Cameron-Kadenz. Danach stehende Ovationen, die Menschen mit einem Schmunzeln im Gesicht, Bach hätte wohl auch gelächelt.