Selbst wenn einem das Sams nur selten über den Weg läuft, obwohl es seit 45 Jahren Weggefährte von Kindern, Papas, Mamas, Omas und Opas ist, wird es schnell zum Seelenverwandten. Jedenfalls im diesjährigen Weihnachtsmärchen der Maßbacher, Paul Maars „Das Sams feiert Weihnachten“.
Allein schon deshalb, weil das Sams ein Kulturgut zu schätzen weiß, das mehr und mehr von zeitgeistigeren Varianten von Leibspeisen am Heiligabend abgelöst wird: Es liebt Würstchen mit Kartoffelsalat. Aber nicht nur deshalb kommt einem das kleine Wesen nahe: Es hat so etwas sympathisch Widerspenstiges, das sich gegen die allseitig um sich greifende Inflation von Reizen zur Wehr setzt, mit denen Kinder für was auch immer gewonnen werden sollen. Sieht man, wie andernorts Dreh- und Hebebühnen, Schneemaschinen und Supersoundapparate in Bewegung gesetzt werden, um die quirligen Kinderscharen in den Theatern bei Laune zu halten, dann ist das, was die Maßbacher tun, erfreulich anachronistisch. Gerade das macht den Charme ihrer Weihnachtsmärchen aus.
Unangepasster Anstifter
So ist das auch in der achten Sams-Geschichte, die nun in einer Inszenierung von Susanne Pfeiffer in Maßbach uraufgeführt wurde. Zuerst lässt das Bühnenbild von Peter Picciani vermuten, die Geschichte klammere sich zäh ans verflossene Milieu. An die Zeit also, als das Sams dem biederen Herrn Taschenbier und der ewig nörgelnden Frau Rotkohl als freundliche Frucht der 68er auf der Nase herumtanzte. Man sieht nicht mehr als ein karges Retro-Raumdesign, vor dem sich die Darsteller in zivilen oder samsigen Kostümen (von Jutta Reinhard) munter bewegen.
Doch die Sorge vor dem Staub des vergangenen Jahrhunderts hält sich nicht lange. Herr Taschenbier ist zwar noch Büromensch, könnte vom Habitus seines Darsteller Lukas Redemann her aber auch ein freischaffender Künstler sein, mit Stückvertrag am Maßbacher Theater. Freund Mon (Vincenzo Tatti) ist ein zeitloser Gentleman mit guten Manieren. Frau Rotkohl (Sandra Lava) poltert zwar wie eh und je, gewährt aber auch Einblicke in ihre tragische Kindheit. Ja, und das Sams ist eben ein Sams, wie es jeder Generation von vom Leben ermatteter Menschenkinder im Nacken sitzen sollte: Naiv. Neugierig. Pfiffig. Couragiert. Freundlich. Ein unangepasster Anstifter mit einem Hang zu begnadeter Gebrauchslyrik.
Erstaunliche Szenenbilder
Tonia Fechter verkörpert dieses quicklebendige Wesen mit spielerischer Leichtigkeit und sorgt damit für so viel Luftzug, dass die anderen Darsteller sich in verschiedenen Rollen drehen und wenden, dass es eine Freude ist. Und mit ihnen dreht sich auch die karge Kulisse zu erstaunlichen Szenenbildern. Alles kreist um Herrn Taschenbiers unstillbare Sehnsucht nach einem geborgenen Weihnachtsfest inmitten lieber Menschen, so wie er es als Kind erlebt hat. Gar nicht so einfach in der kalten Welt draußen vor der Tür, wo sogar das Kaufhauschristkind (Silvia Steger) zur Depression neigt oder in manchem Wohnzimmer Eiseskälte herrscht, die die Seele gefrieren lässt.
Die musikalisch dezent untermalte Geschichte lebt von Situationskomik, Wortwitz, Szenenwechseln, verständlichen Stereotypen und – dank Sams – unerwarteten Wendungen. Sie lebt nicht von Exkursionen in magisch-sinnliche Welten oder von tiefsinnigen Dialogen.
Aber Kinder von 6 bis 9 sind bei der Sache, weil sie sich identifizieren und das Geschehen leicht nachvollziehen können. Für die Älteren bräuchte es wohl mindestens einen Dolby-Surround-Theaterdonner. Es sei denn, sie sind mit dem Sams großgeworden und lieben Würstchen mit Kartoffelsalat.
Gastspiele bis 21.12. In Schweinfurt von 4. bis 7.12. Infotelefon (0 97 35) 235. www.theater-massbach.de