„Selbst-ver-ständlich“, sagt Max Raabe mit Betonung und verzögert den Satz – „ . . . “ – ein klitzekleinwenig, um den Blick durch den Saal schweifen zu lassen, „geben wir gerne noch eine Zugabe“. Wetten, welche? Der Mann ist die Höflichkeit in Person, und dieses eine Lied kam ja überraschenderweise nun noch nicht vor in den vorangegangenen zwei Stunden.
Lieblingslieder aus dem 600 Titel reichen Repertoire
Überraschend, weil: Max Raabe ist an diesem Montagabend mit einem „Wunschprogramm“ im Würzburger CCW. „Das hat mir noch gefehlt“, heißt seine aktuelle Show mit Songs, nein, natürlich Liedern, echten Liedern aus den 1920er und 1930er Jahren. Und die Fans durften mitbestimmen und sich Lieblingsschlager wünschen aus Raabes inzwischen 600 Titel reichem Repertoire.
Also dann. Frack und Fliege sitzen, die Schuhe glänzen, die Hände hängen lässig an der Seite herab. Kleine Verbeugung und schon tanzt der Bariton flott mit der „Schönen Isabella von Kastilien“ „In einer kleinen Konditorei“ „in den Himmel hinein“. „Herr Ober, zwei Mokka!“ Das „Nachtgespenst“ ist auch da. Klar, dass ihn da kein Schwein anruft. Und bildet man sich das Schellack-Knistern eigentlich nur ein?
Im Scheinwerferlicht: die Musiker
Zeit, die Musiker zu erwähnen. Denn dass der Abend nicht ganz steif und allzu betulich, sondern flott oder zumindest beschwingt wird, liegt vor allem am Palast Orchester. Vor 31 Jahren hat Max Raabe das Ensemble gegründet. Und das kaufmännische „&“ zwischen dem Sänger und seinem Orchester muss man unbedingt fett drucken. Denn immer wieder tritt Max Raabe aus dem Lichtkegel und bietet den elf Musikern und der Geigerin Raum für solistische Einlagen. Sousafon und Ukulele, Trompeten, Xylofon, Kastagnetten und Kontrabass – auf alle sind mal die Scheinwerfer gerichtet, und sogar das Basssaxofon darf für zwei Takte an den Bühnenrand kommen.
Tadellos und routiniert
Alles ausgeklügelt, wohldurchdacht, tadellos inszeniert. Dann tritt der Bariton wieder mit lässiger Steifheit und steifer Lässigkeit ans nostalgisierte Mikrofon, sagt mit Pose ein paar Sätze – „In der Realität sieht die Wirklichkeit oft anders aus“ – und singt das nächste kleine Lied über die großen Fragen des Lebens.
Dass die Fans aber auf Platz 1 der 600 aufführbaren Lieblingslieder – mit Abstand – ein Werk gewählt hatten, das der Sänger noch nie in Deutschland präsentiert hatte? Das kein Lied ist, sondern Chanson? Jedenfalls bekommt das sanft-verträumte, sehnsuchtsvoll wiegende „La Mer“ von Charles Trenet jetzt stoischen Raabe'schen Wellengang.
Glückliche teure Momente
Dass der 54-Jährige aus Berlin aber nicht nur Musikgeschichte verwaltet, zeigt sein gerade erschienenes neues Album. „Der perfekte Moment . . . wird heut verpennt“. Im Loblied auf Müßiggang und genüssliches Faulsein hat Raabe mit Annette Humpe und Peter Plate neuen, humoristischen Texten einen moderneren, wenngleich sicher nicht poppigen Klang verpasst. „Guten Tag, liebes Glück“ heißt es da heiter.
Wie hätte nach diesem Einstieg im nicht ganz ausverkauften großen CCW-Saal (keine Überraschung, bei Kartenpreisen 55 Euro aufwärts) der Abend da nicht glücklich verlaufen sollen . . .
Und dann, selbst-ver-ständlich. Ja, am Ende viel dankbarer, rhythmischer Applaus. Und keine roten Rosen. Aber das grüne Stachelgewächs.