
Der Mann hat so eine schöne Stimme. Wenn er sie einfach fließen lässt. Das tut Nik Kershaw in einer wunderbaren Akustik-Runde. Solo mit Klampfe ist der Bursche 'ne Wucht, da stünde jeder britische oder irische Pub Kopf. "The Boxer" von Simon & Garfunkel verleiht der Brite eine herrlich melancholische Note. Fehlt nur noch ein Pint Guinness in der Hand. Zwei Stunden davon, es hätte zum intimen Rahmen mit gut 250 Fans in der Würzburger Posthalle gepasst. Aber meistens gab's halt Strom.
Und kaum rappelt der Verstärker, glaubt Kershaw Gas geben zu müssen. Mit Druck klingt's eben nur halb so schön. Aber immer noch respektabel. Vielleicht muss das so sein, wenn die kleine, aber begeisterte Menge auf die Hits wartet und die halbwegs so hören mag, wie sie das aus dem Radio gewohnt ist. Aus dem Radio der 80er, oder dem aktuellen Bayern 1. Denn vor der Bühne stehen absolut keine 80er-Welle-Mode-Kids. Nein, das ist das ehrwürdig mitgealterte Publikum.
Synthiepop ist erwachsen geworden
Aber einfach nur Radio-Mucke mag der 61-jährige Brite mit dem angenehm dosierten spitzbübischen Charme nicht machen. Alles ist ein bisschen rockiger, aber auch funky gehalten. Das Achtziger-Synthiepop-Gewaber war einmal. Was rum ist, ist rum. Kershaws Musik klingt 2019 erwachsen, von Trends emanzipiert. Ungewohntes wie die Ballade "Have a nice life" packt mehr als der erste Hit des Abends ("The Riddle").
Gleichwohl er David Bowies "Ashes to Ashes" klasse interpretiert, dabei deutlich wird, dass die unauffällig vor sich hin musizierenden vier Kollegen eine starke Band abgeben, übertreibt's Kershaw jedoch mit den Covers. Chesney Hawkes "The One and Only" hätte es doch wirklich nicht gebraucht. Leider holen einen aber auch schwächere eigene Nummern wie "Cowboys and Indians" schnell auf den Boden der Tatsache, dass man mit drei Welthits nicht so leicht einen ganzen Abend füllen kann.

Nik Kershaw wäre freilich nicht so ein brillanter Musiker, hätte er nicht solch Perlen wie "The Sky is the Limit" in der Schatulle. Schade, dass das Konzert nicht draußen stattfindet. Solch ein Song wäre der perfekte Stoff für die Decke auf der Wiese, um bei einem Gläschen Wein der Partnerin die Sterne zu erklären.
Pures Doping auf der Zielgeraden
Na, ja, freilich: Was auch ohne Wein und Romantik zündet, sind Party-Kracher. "Wouldn't it be good?" und eine XXL-Version von "I won't let the Sun go down on me" sind pures Doping auf der Zielgeraden. Die einen tanzen, die anderen schauen sich an und fragen sich, ob sie da schon ein Pärchen waren. Für einen Moment kann man die Achtziger fühlen, diese Unbeschwertheit einer Zeit, in der wir noch mit Sonnenblumen statt unter schwarzen Kapuzen für unsere Umwelt demonstriert haben. Einer Zeit, die uns so erfrischende Popsongs beschert hat.
Da sei das finale The-Killers-Cover - ja, schon wieder eines - "Human" verziehen. Immerhin hat das in die Jahre gekommene Quintett da schon zwei Stunden hinter sich - und zwar ohne Punkt und Komma.