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BERLIN
Neues von Helene Hegemann: Die Hohlheit der Schönen und Reichen im Kulturbetrieb
dpa
 |  aktualisiert: 26.08.2013 17:49 Uhr

Helene Hegemann hat eine ziemliche Achterbahnfahrt hinter sich. Als vor gut drei Jahren ihr Debütroman „Axolotl Roadkill“ erschien, wurde die damals 17-jährige Autorin als neues Wunderkind der Literaturszene bejubelt. Kurz darauf wurde sie nach Plagiatsvorwürfen erbarmungslos in die Schmuddelecke gestellt. Jetzt kommt ihr neuer Roman, betitelt „Jage zwei Tiger“, heraus – in mehrfacher Hinsicht eine Überraschung.

Nach den teilweise schwer verdaulichen Drogen- und Sex-Exzessen von Mifti in Berliner Technoclubs schickt Hegemann diesmal ihre Hauptfigur durch die Abgründe der seelenlosen Kunst- und Kulturschickeria. Anfangs nervt ihre seltsame Mischung aus Jugend-Slang und bemühtem Theoriesprech, aber zunehmend entwickelt die Geschichte Schwung und Spannung – als schreibe sich die Autorin frei von den eigenen allzu hohen Ansprüchen.

Es beginnt mit dem elfjährigen Kai, der bei einem Autounfall seine Mutter verliert und – nach einer Zwischenstation beim Wanderzirkus – bei seinem geschiedenen Vater landet. Der Kunsthändler und Frauenheld hat auf alles mehr Lust als auf elterliche Verantwortung, fügt sich aber widerwillig in sein Schicksal: „Ich kann dir nicht bei Mathehausaufgaben helfen, und ich werde dich auch nicht davon abhalten können, in vier Jahren oder weiß der Teufel wann Drogen zu nehmen.“

Daneben steht die 14-jährige Cecile, drogenabhängig, magersüchtig, ein Wrack. Ihre Eltern sind neu in ein 120-Zimmer-Anwesen in Hamburg eingezogen. Wenn die Mutter zum Essen ruft, muss sie der Tochter per SMS den Weg ins Speisezimmer beschreiben.

Die Gefühlskälte der Eltern

Cecile kann die Gefühlskälte ihrer Eltern nicht ertragen. Über eine schräge WG in Worms und einen Ausflug nach Venedig kreuzt sich ihr Weg erst mit Kais Vater, schließlich mit Kai selbst. Es ist eine kaputte und abgefahrene Welt, in der sich die beiden jungen Helden bewegen. Mit einem wilden Vergnügen an grotesker Übertreibung malt Hegemann die Hohlheit der Schönen und Reichen im Kunstbetrieb aus. Da ist die mittellose Alkoholikermutter, die mal 30 Millionen Euro auf dem Konto hatte, beim Charity-Event trifft sich die „Creme de la Creme der Scheiße“, und die Loverin des Vaters sieht aus wie eine „bourgeoise Nagelstudiobesitzerin, blond, dünn, ein bisschen mit Kunst zu tun und offenbar auf mehreren Edelgestüten aufgewachsen“.

Dahinter aber geht es vor allem um die Entwurzelung, die Kai und Cecile und die Kids um sie herum erleben – das Lebensgefühl einer Lost Generation, die in der hippen und exaltierten Welt der Eltern das Wichtigste nicht mehr bekommt: Zuwendung. „Ich will nach Hause“, sagt Kai einmal. „Ich meine nicht München oder die Wohnung oder das alles. Ich will nach Hause. Ich will einfach nur nach Hause.“

Die Vermutung, sie könne mit diesem wiederkehrenden Thema des Sich-Allein-Fühlens auch ihre eigene Geschichte verarbeiten, weist die Autorin zurück. Auch sie verlor früh ihre Mutter, mit 13 zog sie zu ihrem Vater, dem Berliner Theatermacher Carl Hegemann. Schon mit 15 brachte sie ihr erstes Stück auf die Bühne. „Von nichts, was ich schreibe, würde ich je behaupten, dass es knallharte Realität sei“, sagt die heute 21-Jährige im Gespräch.

Helene Hegemann: Jage zwei Tiger (Hanser, 320 Seiten, 19,90 Euro)

 
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