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BERLIN
Neues Buch von Stewart O'Nan: Ein hoch verschuldetes Ehepaar setzt alles auf die Roulettekugel
dpa
 |  aktualisiert: 29.07.2014 13:03 Uhr

Die Geschichte beginnt alltäglich. Das Ehepaar Marion und Art fährt zum Valentinstag an die Niagarafälle, wo die beiden vor rund 30 Jahren ihre Flitterwochen verbracht hatten. Es ist allerdings nicht Nostalgie, die sie an den Sehnsuchtsort vieler amerikanischer Liebespaare treibt. Im Gegenteil: Sie kommen mit einem Vorhaben, das die Vergangenheit ungeschehen machen und eine glücklichere Zukunft ermöglichen soll.

Ihr Ziel sind weder die Wasserfälle noch die anderen touristischen Höhepunkte. Marion und Art interessiert von Anfang an nur eines: Sie wollen im Spielcasino ihres Hotels eine Menge Geld gewinnen und noch einmal von vorn beginnen. Sie wollen nicht nur, sie müssen. O'Nan zeigt in einer Reihe von Rückblenden, wie die einstmals gesicherte Existenz des Paares immer stärker zerbröckelte.

Nach einem typisch amerikanischen Beginn mit früher Ehe, Kindern und eigenem Haus mussten sie erleben, wie sie erst ihre Ehe mit Affären gefährdeten und dann wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre auch noch ihrer wirtschaftlichen Grundlage beraubt wurden.

Als sie im Bus zu den Niagarafällen sitzen, haben beide ihre Arbeit verloren und so viele Schulden angehäuft, dass die Privatinsolvenz unmittelbar bevorsteht. Aber noch geben sie nicht auf. Art will eine letzte Chance nutzen. Er hat eine Strategie entdeckt, durchgerechnet und sehr lange geübt. Die beiden kratzen alles irgendwie verfügbare Geld zusammen und setzen alles auf eine Roulettekugel. „Er hatte ihnen die besten Gewinnchancen verschafft, die sie haben konnten. Alles Übrige war Glückssache.“

Viel passiert in dem kurzen Roman nicht. Es geht um Nuancen und Andeutungen. Art und Marion spielen eine Rolle, vor allem, wenn sie übereinander nachdenken und versuchen, die vielen kleinen Schwierigkeiten nicht zu einem großen Problem für ihre vielleicht letzte Chance werden zu lassen. O'Nan erzählt die Geschichte sehr subtil und mit viel Gefühl für die Nöte und Hoffnungen seiner Figuren. Auch eine gewisse Ironie kommt ins Spiel, etwa wenn Erwartungen und Realitäten auseinanderdriften, ohne dass dies die beiden stört.

O'Nans Hinweise zu Beginn jedes Kapitels auf die statistische Wahrscheinlichkeit von Ereignissen, die auf den folgenden Seiten wichtig werden, verdeutlichen die Kombination von Ernsthaftigkeit und Unwägbarkeit. Eine Verbindung, die diesen gelungenen Roman prägt.

Stewart O'Nan: Die Chance (Rowohlt, 222 Seiten, 19,95 Euro)

 
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