Der französische Bernard war in den 1960er Jahren so etwas wie bei uns Thomas oder Stefan. Mit diesem Namen konnte man damals nichts falsch machen. Bernard war sympathisch, traditionell, solide. „Man könnte fast sagen, es ist eigentlich ein charmanter Name“, räsoniert David Foenkinos' Held in „Zurück auf Los“: „Ein Name ohne Extravaganzen, der keinen großen Wirbel macht.“
Andererseits hat dieser Name auch etwas Unentschiedenes, wenig Greifbares. „Ich kann mich nämlich nie für etwas entscheiden“, bekennt Foenkinos' Bernard: „Oft höre ich, wie Leute sich darüber unterhalten, welche Rolle sie wohl im Zweiten Weltkrieg gespielt hätten. Widerstandskämpfer oder Kollaborateur? Für mich wäre die Sache ganz klar gewesen: weder das eine noch das andere.“
Bernards Leben entsprach bisher den Erwartungen. Als Bankangestellter hat er sich mit großer Beharrlichkeit eine gewisse Position erarbeitet. Mit seiner Jugendliebe Nathalie führt er eine scheinbar harmonische Ehe, jedenfalls ist er ihr noch immer von Herzen zugetan, genauso wie seiner erwachsenen Tochter Alice. Einziger Wermutstropfen in diesem Idyll ist die seit jeher unterkühlte Beziehung zu seinen Eltern.
Die Ereignisse überschlagen sich
Doch kaum hat Bernard die 50 überschritten, überschlagen sich die Ereignisse. Zunächst zieht seine geliebte Tochter ins ferne Brasilien, wo sie wahrscheinlich mit einem langhaarigen Musiker anbandelt. Dann erwischt ihn die Finanzkrise. Seine Bank muss sparen. Eine angebliche Aggression gegen einen Kunden macht Bernard zu einem leichten Opfer. Er wird kurzerhand vor die Tür gesetzt.
Gleichzeitig muss er entdecken, dass seine Frau einen Liebhaber hat. Als ihm das Wasser schon bis zum Hals steht, bleibt Bernard nichts anderes übrig, als zu seinen betagten Eltern in sein altes Kinderzimmer zu ziehen – ausgerechnet: „Ich betrat das Mausoleum meiner Jugend.“
Bernard ist der typische Antiheld, wie er in vielen Büchern des auch in Deutschland sehr erfolgreichen französischen Bestsellerautors („Nathalie küsst“) auftritt. Etwas täppisch, etwas unentschlossen, häufig sprachlos, aber durch und durch sympathisch. Einer jener Männer, die vom modernen Leben leicht überfordert sind und in ihren besten Jahren in eine schwere Krise stürzen. Das gipfelt in dramatisch-skurrilen Szenen mit seinen Eltern.
Der 50-Jährige fällt in die Rolle des Kindes zurück, das feste Essenszeiten zu respektieren hat, dem Vater nicht widersprechen soll und sich lautlos in Pantoffeln durch die Wohnung schleichen muss. Höhepunkt ist ein von den Eltern arrangiertes Treffen mit einer Frau seines Alters, die ebenfalls gerade Schiffbruch erlitten hat. Die absurde Verkuppelungsshow gerät vollends aus der Spur, als Bernard sich mit einem Knalleffekt aus der peinlichen Rolle des entmündigten Kindes befreit. Erst später wird ihm klar, dass die von ihm als „Mumie“ beschimpfte Frau gar nicht übel ist.
Eigentlich ist „Zurück auf Los“ eine Allerweltsgeschichte. Doch Foenkinos (39) macht daraus eine bittersüße Tragikkomödie. Witzig und schlagfertig, ohne in Klamauk abzudriften, erzählt er vom Älterwerden, vom Scheitern und vom Neuanfang.
David Foenkinos: Zurück auf Los (C.H. Beck, 252 Seiten, 16,95 Euro)