
Abgründe, verborgene Welten: Lothar Reichel, Vater der Schweinfurt-Krimis, fühlt sich davon angezogen. Der Blick hinter bürgerliche Fassaden, das Entlarven von Menschen, die nicht das sind, was sie vorgeben zu sein: Reichel macht das ebenso gekonnt wie gerne in seinen Kriminalromanen um Christian Blacky Schwarz, den real existierenden Rundfunkreporter, der in den Krimis so gerne Detektiv spielt.
Ein Aspekt, der die Schweinfurt-Krimis so besonders macht: Hier trifft Fantasie auf Realität. Denn die sonore Stimme des Krimihelden kann man im echten Leben tatsächlich im Radio hören. Das bringt dem Leser die Buchwelt doch ziemlich nahe. Lothar Reichel lässt Blacky jetzt zum neunten Mal ermitteln: "Rauhnachtgrauen – Blacky in der Unterwelt" heißt das Buch, das ab sofort in den Buchhandlungen liegt.
Inspiriert von TV-Serien
Das strebsame, industriegeprägte , nüchterne Schweinfurt als Schauplatz eines Mafia-Krieges? Gewalt, Bandenkrieg zwischen Rückert-Denkmal und Hafen? Dazu ein Verbrecherboss mit dem schönen Namen Zar, der als Vertrauensbeweis von seinen Mitarbeitern ein Stück eines ihrer Finger fordert? "Ja, es geht ganz schön zur Sache", meint Reichel. Er habe sich schließlich von Serien inspirieren lassen. Die Kapitel des Buches, alles einzelne Tage, sind entsprechend wie Episoden einer TV-Serie aufgebaut. Figuren und Themen in Serienmanier wieder aufleben lassen: Eine nette Idee, findet Reichel.
Deswegen hat es ihm wohl auch besonderen Spaß gemacht, dass seine Heldin , die Polizistin Kerstin Weiß, etwas dämlich dasteht, als sie zugeben muss, die Serie "Homeland" nicht zu kennen. Auf der anderen Seite Blacky Schwarz, der zu dem Schluss kommt, dass die Mafia-Serie "Die Sopranos " ein Kinderfilm ist im Vergleich zu dem, was in Schweinfurt passiert.
Und warum gerade Russenmafia? "Die waren einfach mal dran", sagt Reichel. Der Gedanke, dass es in einer Stadt wie Schweinfurt unzählige Communities gibt, hat ihn fasziniert. "Ich spiele schon immer mit der Idee, Schweinfurts verborgene Welten zu zeigen."
Die Sprache ist extrem wichtig
Strickt er an einer Saga? Reichel gefällt der Gedanke. Einen Kosmos will er entwerfen, Milieus entdecken und beschreiben. Oder,wie er sagt: Keinen Bratwurstkrimi, keine "Erzählerles" schreiben. So will er einen Kriminalroman, der in Unterfranken spielt, nämlich nicht anlegen. Er will nicht möglichst viel fränkeln, viel Lokalkolorit unterbringen und darüber vergessen, was ihm am wichtigsten ist: die Sprache. Die Frage, wer der Mörder war, ist schon wichtig. Auch die Psychologie der Figuren. Aber wichtiger als das Ziel ist für Lothar Reichel der Weg, die Sprache. "Man kann auch in solchen Krimis sorgfältig mit der Sprache arbeiten."
2011 ließ Reichel Blacky Schwarz das erste Mal in ein Verbrechen tappen. Acht Bände sind gefolgt. Die Fangemeinde wartet seitdem jedes Jahr auf ein neues Buch. Für Blacky und Kerstin ist aber erst ein knappes Jahr vergangen. Band eins, "Kindertotenlieder" spielt im Fasching, "Rauhnachtgrauen" in der Weihnachtszeit. Deswegen kann Reichel auch nicht die Frage beantworten, ob aus den beiden was Ernstes wird , immerhin wollen sie im neunten Band mal zusammen wegfahren.
Das Thema scheint die Leser aber zu beschäftigen. "Diese Kerstin ist keine Frau für Blacky, der braucht eine andere", hat ihm jüngst eine Frau beim Einkaufen gesagt. Es wird also ein spannendes, neues Jahr für Blacky und Kerstin und ihre Schweinfurter Welt. Zumal sich bei Buch-Blacky eine dramatische Entwicklung abzeichnet. Er wird alt. Schäkern, den Charmeur geben? Das ging acht Bände lang. Jetzt ist aus dem Frauenschwarm ein Radio-Onkel geworden. Wenn das nicht neugierig auf den nächsten Band macht...
Lothar Reichel und Christian Blacky Schwarz lesen am Donnerstag, 5. Dezember, um 19.30 Uhr in der Schweinfurter Rathausdiele aus "Rauhnachtgrauen." Der Krimi ist im Buchverlag Lothar Reichel erschienen, er kostet 11 Euro.