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DIE KARTE MEINER TRÄUME:
Neu im Kino: Verschrobener Junge mit brillantem Geist
Ein Wunderkind? T.S. Spivit nimmt die Wirklichkeit als großes Abenteuer wahr.
Foto: dpa | Ein Wunderkind? T.S. Spivit nimmt die Wirklichkeit als großes Abenteuer wahr.
reda
 |  aktualisiert: 09.07.2014 15:20 Uhr

Reif Larsens Roman „Die Karte meiner Träume“ ist ein wildes Buch. Der Text ist umgeben von Fußnoten, Anmerkungen, Skizzen, Zeichnungen, Landkarten und Diagrammen, weil all das, was im Kopf des jungen Erzählers T.S. Spivit vor sich geht, nie und nimmer allein durch Buchstaben wiedergegeben werden kann. Der überbordenden Fantasie dieses Romans hat sich nun der französische Filmemacher Jean-Pierre Jeunet angenommen.

Man könnte sich keinen besseren Regisseur für den Stoff vorstellen. In Filmen wie „Delicatessen“ oder „Die fabelhafte Welt der Amélie“ hat Jeunet seinen ganz eigenen, quirligen, poetisch-exzentrischen Erzählstil entwickelt, der wie geschaffen für die Geschichte des etwas verschrobenen, hochbegabten Elfjährigen erscheint. T.S. Spivit (Kyle Catlett) lebt mit seiner Familie auf einer Farm in Montana, umgeben von grünen Weiden und majestätischen Bergen. Während andere Jungs in seinem Alter mit dem Luftgewehr auf Büchsen schießen, beschäftigt sich T.S. mit naturwissenschaftlichen Experimenten, mathematischen Formeln, geologischen Expertisen und Kartografie. Ganz nebenbei hat der selbst ernannte Leonardo von Montana das Perpetuum Mobile erfunden. Dafür soll er nun am renommierten Smithsonian Institut in Washington mit einem Preis geehrt werden, auch wenn die Honoratioren nicht ahnen, dass der geniale Erfinder noch die Schulbank drückt.

Über den halben Kontinent

Und so steigt der Junge am frühen Morgen heimlich auf einen Güterzug und folgt seiner genau berechneten Route über den halben Kontinent in die Hauptstadt. Die abenteuerliche Reise ist auch eine Flucht aus den familiären Verhältnissen. Seit der Zwillingsbruder beim Spielen mit dem Gewehr ums Leben gekommen ist, spricht der Cowboy-Vater (Callum Keith Rennie) noch weniger, vergräbt sich die Mutter (Helena Bonham Carter) noch tiefer in ihre Käferforschungsarbeiten, erstickt T.S., der sich die Schuld für den Unfall gibt, in Selbstvorwürfen. Aber auch wenn er sich in Washington als Waise ausgibt und von der Wissenschaftselite als Wunderkind gefeiert wird, will die Trauer um den familiären Verlust nicht von ihm weichen.

„Die Karte meiner Träume“ verschreibt sich ganz und gar der subjektiven Weltsicht seines jungen Helden, dessen brillanter Geist die Wirklichkeit als großes Abenteuer wahrnimmt. Kreativität und Forschungsdrang verschmelzen zu einer liebenswert-skurrilen Figur fernab aller Sonderling-Klischees.

In seinem ersten amerikanischen Film seit „Alien – Die Wiedergeburt“ begibt sich Jeunet auch aus dem eigenen künstlerischen Mikrokosmos heraus, er zeigt weite Landschaftsaufnahmen und saftig grüne Naturkulissen. Hier wird mit Westernmotiven gespielt, in die sich Jeunets Liebe zum surrealen Detail organisch einfügt. Dabei geht es im Herzen des Filmes um die Bewältigung eines Verlusttraumas und den mühsamen familiären Heilungsprozess, was zu deutlich gefühligeren Szenen führt, als man sie von Jeunet bisher kennt. Der Regisseur stellt seine Kreativität in den Dienst der Geschichte und der liebenswerten Hauptfigur, was neben der visuellen Opulenz auch emotional zu einem reichhaltigeren Filmerlebnis führt: • • • • • ο

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